FTD-Dossier, 17.12.06 TUI verprellt Anleger mit neuen Plänen von Jenny Genger und Sven Clausen (Hamburg)
TUI-Chef Michael Frenzel ist es mit dem Sparpaket und den Plänen für eine strategische Neuausrichtung nicht gelungen, die Anleger auf seine Seite ziehen. Die Situation des Konzerns ist offenbar kritischer, als viele Experten bisher angenommen haben.
Mit den Ankündigungen von TUI am vergangenen Freitag haben sich laut Merrill-Lynch-Analyst Rui Lopes die "schlimmsten Erwartungen" bewahrheitet. "Man könnte den Eindruck haben, als wenn es dem Unternehmen noch schlimmer geht als bislang angenommen", sagte Michael Gierse, Fondsmanager bei Union Investment.
Die Pläne des TUI-Vorstands für die kommenden Jahre, die zum größten Teil schon öffentlich durchgesickert waren, hatte der Aufsichtsrat am Donnerstag abgesegnet. Nach der Sitzung informierte der Konzern nachts in einer Pflichtmitteilung die Börse über seine nach unten korrigierte Gewinnprognose und die anstehenden Maßnahmen. Dazu gehört auch, dass die Aktionäre für 2006 keine Dividende erhalten. Das sei ein "Schlag ins Gesicht der Investoren", kritisierte Gierse. Die TUI-Aktie fiel am Freitag zeitweise um knapp sechs Prozent und ging mit 15,61 Euro um 2,7 Prozent niedriger aus dem Handel. Damit war TUI das Dax-Schlusslicht.
"Es fehlt der große Schlag"
Der Druck auf Frenzel dürfte sich damit noch verstärken. Seinen Aufsichtsrat hat der 59-Jährige zwar erneut hinter sich bringen können. Doch nach monatelanger massiver Kritik einiger einflussreicher Investoren sind Experten von dem nun eingeschlagenen Kurs immer noch nicht überzeugt. "Es fehlt der große Schlag", so Gierse.
Frenzel hat neue Sparpläne, massive Stellenstreichungen sowie Wachstumspläne präsentiert. Zentrale Forderungen von Investoren wie Hermes und DWS schmetterte er aber ab. Die Abspaltung der Schifffahrt, eines der drängendsten Themen der Kritiker, wies Frenzel mit Nachdruck zurück: Derzeit ergebe ein Börsengang, Verkauf oder Aktiensplit der Tochter Hapag-Lloyd keinen Sinn, "sodass wir allen Rufen danach eine klare Absage erteilen müssen", sagte der TUI-Chef.
Auch das Fluggeschäft betreibt der Konzern weiter. Pläne für einen Teilrückzug durch eine Zusammenlegung von Hapagfly und HLX mit dem Wettbewerber Air Berlin hatte TUI nach Angaben aus Konzernkreisen erst vor wenigen Tagen fallen lassen. "Der Plan B sieht etwas hastig konstruiert aus", sagt Gierse. TUI legt seine beiden deutschen Fluglinien nun zwar unter dem neuen Namen TUIfly.com zusammen und will auch seine anderen fünf europäischen Gesellschaften bis 2008 darunter zusammenfassen. Ganz ausgefeilt ist diese Strategie noch nicht. So plant der Vorstand zwar, die Flotte von 123 Maschinen in eine Leasinggesellschaft auszugliedern, an der TUI nurmehr eine Minderheit hält. Details dazu will Finanzvorstand Rainer Feuerhake jedoch erst 2007 liefern.
Keine Zurückhaltung bei Investitionen
Negativ aufstoßen dürfte Investoren, dass der TUI-Vorstand sich über ihre Mahnung hinwegsetzt, das Unternehmen müsse sich bei Investitionen zurückhalten. Frenzel will den vor einem Jahr angekündigten Einstieg in den deutschen Massenmarkt für Kreuzfahrten nachholen: Für eine 25-Prozent-Beteiligung an einem Joint Venture mit Weltmarktführer Carnival will TUI bis 2010 rund 300 Mio. Euro zahlen. Der US-Konzern bringt den führenden deutschen Anbieter Aida ein. Daneben soll die neue Marke TUI Cruises in vier Jahren mit einem 450 bis 500 Mio. Euro teuren Neubau in See stechen. Damit bindet sich der Konzern weiter an kapitalintensive Geschäftsfelder, statt solche Risiken zu reduzieren.
Auch die eigenen Hotelgesellschaften will TUI ausbauen. Einen konkreten Investitionsplan nannten die Vorstände jedoch nicht. Zugleich sollen die Schulden durch Verkäufe von Schiffen, dem Hafen in Montreal, Immobilien und Hotelbereichen um rund 1 Mrd. Euro verringert werden.
Nachdem der TUI-Vorstand 2005 deutlich unter seinen Prognosen abgeschlossen hatte, werden nun voraussichtlich Abschreibungen im hohen dreistelligen Millionenbereich das Konzernergebnis für 2006 ins Minus drücken. Konkrete Zahlen nannte Frenzel nicht. Für 2008 stutzte er die Prognose für das operative Ergebnis von 1,35 Mrd. auf 850 Mio. bis 1,05 Mrd. Euro.
Der neue Kurs
Einschnitte TUI-Chef Michael Frenzel will bis 2008 bei Sachkosten 100 Mio. Euro und bei Personalausgaben 150 Mio. Euro sparen. Im Touristikgeschäft werden 3600 der 52.000 Stellen in Vertrieb und Verwaltung abgebaut. Den Aktionären wird die Dividende für 2006 komplett gestrichen. Der Konzern wird dieses Jahr voraussichtlich 140 Mio. Euro Restrukturierungskosten und hohe Firmenwertabschreibungen verbuchen. Für 1 Mrd. Euro sollen aus dem mit 8 Mrd. Euro bewerteten Anlagevermögen Schiffe, ein Hafen, Hotelbereiche und Immobilien veräußert werden.
Ausbau TUI schafft eine neue Kreuzfahrtschiffmarke, investiert in Hotelkapazitäten, führt die insgesamt sieben europäischen Fluglinien unter einem neuen Namen zusammen und richtet den gesamten Internetvertrieb neu auf die Airlines aus. Während in einigen Bereichen Jobs wegfallen, schafft der Konzern allerdings auch 3300 neue Stellen, vor allem in Hotels und bei den Fluglinien. Das Spartenergebnis soll von rund 630 Mio. Euro im Jahr 2005 auf 850 bis 1050 Mio. Euro im Jahr 2008 steigen.
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