Deutschland: "Abschied von Teilen des Wohlfahrtsstaats" In seiner Regierungserklärung am Beginn der zweiten Amtszeit stellte Bundeskanzler Schröder mehr Arbeitsplätze in Aussicht und viele Ansprüche "zur Disposition". Schröder bringt kein Licht ins Tal der Tränen
BERLIN (ekö). Vier Jahre Vorrang für die Beseitigung der Arbeitslosigkeit: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) betonte in seiner Regierungserklärung, Deutschland habe immer noch zu viele Überstunden, zu viel Schwarzarbeit und zu viele nicht besetzte offene Stellen.
Schröders Rede wurde mehrmals vom Gelächter der Opposition unterbrochen, etwa als er sein Programm als eine Mischung von erhöhten Investitionen, intelligentem Sparen und mehr Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit anpries; von der nachhaltigen Entlastung von Steuern und Abgaben sprach und ankündigte, Lohnnebenkosten zu senken, Bürokratie abzubauen und eine neue Kultur der Selbständigkeit zu fördern. Oder als er in seinem Schlußsatz sagte: Das Leben sei reich an Chancen, an Arbeitsmöglichkeiten, an Zukunftshoffnungen, aber "durchaus auch an Einkommen und Vermögen für alle."
Das Hartz-Konzept, "die größte Arbeitsmarktreform seit Bestehen der Bundesrepublik", werde ohne Abstriche umgesetzt. Und nach dem Muster der Hartz-Kommission werde er auch Gesundheits- und Rentensystem reformieren lassen. Aber: Vom Wohlfahrtsstaat müsse man sich "zum Teil verabschieden". Manche Ansprüche stünden zur Disposition. "Es ist jetzt nicht die Zeit, neue Forderungen zu stellen, ohne zu neuen Leistungen bereit zu sein. Wer nur seine Ansprüche pflegt, hat wirklich noch nicht verstanden, worum es geht."
Den Euro-Stabilitätspakt stelle er nicht zur Diskussion, aber er fordere eine konjunkturgerechte Ausgestaltung und mehr Flexibilität, um in schwierigen Zeiten gegensteuern zu können, sagte der Kanzler.
Außenpolitisch bekräftigte er: An einer militärischen Intervention im Irak werde sich Deutschland nicht beteiligen. Deutschland sei der größte Truppensteller nach den USA, doch Sicherheit nicht allein mit militärischen Mitteln herzustellen.
Hohn der Opposition
Angela Merkel antwortete in ihrer ersten Rede als CDU/ CSU-Fraktionschefin: "Die Haushaltslage ist in Wahrheit schlimmer, als Sie heute zugeben." Schröder müsse reinen Wein einschenken, was er für die nächsten Monate an weiteren Belastungen plane. Rot-grün sei nicht die Koalition der Erneuerung, sondern der Verteuerung. Sie basiere auf einem "Koalitionsvertrag der Enttäuschung, der Täuschung und der Vertuschung".
"Rot-grün macht arm!", resümierte Merkel. Für jede deutsche Durchschnittsfamilie bedeuteten die Reformen eine Mehrbelastung von 200 Euro pro Jahr. Schröder biete überhaupt keine Aussicht, wie Wachstum und Beschäftigung erhöht werden könnten.
Auch die Wirtschaftsweisen, so Merkel, hielten es für illusorisch, daß mit dem Hartz-Konzept die Zahl der Arbeitslosen auf zwei Millionen reduziert werden könne.
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