Unfassbar, was deutsche Gesetze möglich machen Sozialamt zahlt für Millionärs-Kinder
Ernst Merkel (54), Baudezernent in Ludwigshafen, ließ den Internatsaufenthalt seines Sohnes aus Steuermitteln bezahlen
In Deutschland gibt es einen neuen schweren Fall von Sozialmissbrauch: Eltern können ihre Kinder auf Staatskosten in Internate schicken. Um Unterstützung vom Sozialamt zu erhalten, reicht ein ärztliches Attest. Nach BamS-Recherchen nutzen vor allem reiche Ehepaare das entsprechende Gesetz aus. Für den Ludwigshafener Baudezernenten Ernst Merkel ist Sparen kein Tabuthema. Im vergangenen Hitzesommer rief er die Bürger auf, die Straßenbäume selbst zu gießen und so die Stadtkasse zu schonen.
Für sich selbst lässt der hohe Verwaltungsbeamte andere Maßstäbe gelten.
Obwohl er mit seiner Frau (obere Bankangestellte) rund 5400 Euro netto im Monat verdient, ließ er sich ein Jahr lang den Internatsaufenthalt seines Sohnes aus Steuergeldern bezahlen. Kosten pro Monat: fast 2000 Euro. Zur Verteidigung sagt er: „Ich habe die Hilfen als normaler Bürger beantragt und sie nicht mit meinen Beziehungen als Politiker durchgesetzt.“
Merkels Vorgehen ist kein Einzelfall – und leider legal: Denn nach Paragraph 35a des Sozialgesetzbuchs VIII müssen Landkreise und Gemeinden „Eingliederungshilfe“ für Jugendliche zahlen, wenn „das Drohen einer seelischen Behinderung“ medizinisch bestätigt wird. Der Gummiparagraph, bei der Einführung 1995 gut gemeint, wird von immer mehr Gutverdienenden ausgenutzt.
Mit Hilfe von Anwälten und Ärzten lassen sie sich die Ausbildung ihrer Kinder in Spezialschulen und Internaten finanzieren. Häufig reicht dazu schon ein Attest über das weit verbreitete „Zappelphilipp-Syndrom“ oder die Diagnose „Dyskalkulie“ (Rechenschwäche) bei schlechten Noten in Mathematik.
Über Regional- und Parteigrenzen hinweg klagen Landräte und Bürgermeister über die Abzocke. „Es ist schlimm, dass selbst Millionäre an diese Gelder kommen“, sagt Claus Schick (SPD), Landrat im Kreis Mainz-Bingen.
Für 528 Fälle in seinem Kreis muss er mehr als 10,6 Millionen Euro aufwenden. Die Eigenbeteiligung der Eltern liegt bei durchschnittlich 20 Euro im Monat – oder 1,1 Prozent. „Ausgerechnet der Bevölkerungsteil, der eher starke Einkommen und starke Vermögen hat, weiß, wie er Leistungen der Allgemeinheit abrufen kann“, sagt Schick: „Es sind nicht die Armen und Schwachen, die hier in erster Linie profitieren, sondern eher die Leistungsstärkeren der Gesellschaft.“
In einer Resolution von sozialdemokratischen Kommunalpolitikern wird der Wahnsinn auf den Punkt gebracht. Auch mit 10 000 Euro netto im Monat und einem Privatvermögen von 400 000 Euro werden Eltern bei ambulanten Jugendhilfemaßnahmen „überhaupt nicht zur Kostenbeteiligung herangezogen“ – während das Jugendamt, das in den meisten Gemeinden mit dem Sozialamt zusammengelegt ist, 2000 Euro im Monat zahlen muss.
Kaum Eigenanteil trotz hoher Vermögen: Das gilt nicht nur bei Jugendlichen. Bringt ein Millionär sein volljähriges behindertes Kind stationär unter, werden ihm monatlich maximal 26 Euro Eigenanteil berechnet (ab 1. 1. 2005: 46 Euro). Das Sozialamt übernimmt die Kosten von Wohnheim und Tagesförderstätte – häufig mehr als 5000 Euro.
Bundesweit sind die Kosten für die Förderung schwieriger Jugendlicher nach Paragraph 35a auf 400 Millionen Euro pro Jahr hochgeschnellt. „Immer mehr Eltern kommen gezielt in meine Praxis und verlangen Atteste genau für diese Regelung“, sagt Kinderärztin Dr. E. aus Rheinland-Pfalz, die ihren Namen mit Rücksicht auf die ärztliche Schweigepflicht nicht nennen will.
Sogar in der Gegend mit Deutschlands höchster Millionärsdichte, dem Landkreis Starnberg, haben sich die Kosten für Jugendliche mit „drohender seelischer Behinderung“ auf 2,3 Millionen Euro pro Jahr verdoppelt. Landrat Heinrich Frey (CSU): „Viele Eltern machen von der Regelung großzügig Gebrauch. Wir haben mehrere Fälle, wo sich sehr wohlhabende Eltern das Internat bezahlen lassen.“
Mittlerweile hat der Kreis Starnberg eine Psychologin eingestellt, die Gegengutachten verfasst und unberechtigte Fälle zurückweist. Landrat Frey: „Die bringt ihr Gehalt locker wieder rein.“
Hans-Günter Henneke, Geschäftsführer des Deutschen Landkreistages, fordert: „Der Paragraph 35a sollte ersatzlos gestrichen werden.“ Besser sei es, Leistungen für Kinder und Behinderte in der Sozialhilfe zusammenzufassen. Henneke weiter: „Es ist problematisch, dass die Leistungen für alle frei sind, selbst für Millionäre. In Zeiten knapper Kassen sprengt dies die kommunalen Finanzen.“
Landrat Schick aus Mainz-Bingen bekam von einer Bonner Privatschule monatlich eine Rechnung von 6500 Euro für einen Schüler, dem das „Drohen einer seelischen Behinderung“ bescheinigt worden war. Mit mehr Selbstbeteiligungen für Reiche im Jugend- und Sozialhilferecht könnten, schätzt Schick, im Jahr bis zu vier Milliarden Euro eingespart werden.
Kommentar des zuständigen Bundesministeriums für Familie und Jugend: Nach der 2005 geplanten Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes sollen Jugendämter stärker selber über Zweifelsfälle entscheiden. Ob Vermögende künftig mehr zahlen müssen, konnte die Sprecherin nicht sagen.
http://www.bild.t-online.de/BTO/news/2004/02/22/...enderKomplett.html
Egal, ich gehe jetzt zum Umzug und ärgere mich am Mittwoch über diese Gauner weiter
Wega
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