Blaubeuren/Ulm Centrotherm-Aktionärsversammlung: "Das ist heute die Beerdigung"
Der Blaubeurer Maschinenbauer Centrotherm bekommt einen größeren Aufsichtsrat. Nach der überstandenen Insolvenz haben im Kontrollorgan die Vertreter der früheren Gläubiger das Sagen. Anleger ließen ihrem Frust auf der Aktionärsversammlung freien Lauf. THOMAS STEIBADLER | 18.12.2013 Per E-Mail verschicken Diesen Artikel drucken
Foto: Andy Ridder Nach Insolvenz, Stellenabbau und Kurzarbeit hofft der Centrotherm-Vorstand auf bessere Zeiten im nächsten Jahr. Vertreter der Aktionäre des Blaubeurer Maschinenbauers teilen diese Hoffnung nicht.
So ändern sich die Zeiten: In der Hauptversammlung der Centrotherm-Aktionäre im August 2011 fragte der Vertreter der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz scherzhaft, ob das Unternehmen einen Geldspeicher bauen müsse. Am Montag herrschte in der Donauhalle zeitweise eher Untergangsstimmung: "Das ist heute die Beerdigung", rief Wolfgang Packeisen, der nach eigenen Angaben ausländische institutionelle Anleger vertritt, in Richtung Vorstand und Aufsichtsrat. Zu dem gleichen Schluss kam Andreas Breijs, der dieses Mal die Schutzgemeinschaft Wertpapierbesitz vertrat. Centrotherm sei "mit Vollgas ins Desaster geschleudert", für die Aktionäre sei das Blaubeurerer Unternehmen zum Albtraum geworden.
Das Desaster, von dem der Aktionärsvertreter sprach, hatte sich bereits mit dem Ablauf des Geschäftsjahrs 2011 angekündigt. Fast 20 Millionen Euro betrug das Minus beim operativen Ergebnis. Mitte Juli 2012 beantragte der Maschinenbauer, der fast ausschließlich von Aufträgen aus der Photovoltaikindustrie abhängig ist, ein so genanntes Schutzschirmverfahren, um die Gläubigerforderungen, die sich auf mehr als 100 Millionen Euro summierten, nicht mehr bedienen zu müssen. Von Oktober 2012 bis Mai dieses Jahres folgte ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Damit wurden Verkauf oder Zerschlagung des Unternehmens verhindert. Trotzdem haben sich die Eigentumsverhältnisse geändert.
Über die Verwaltungsgesellschaft Sol Futura gehören 80 Prozent der mehr als 21 Millionen Centrotherm-Aktien den früheren Gläubigern, darunter Banken und Warenversicherer. Den Alt-Aktionären bleiben nach einem Kapitalschnitt noch 20 Prozent, sie haben mit der Insolvenz also nicht nur Geld, sondern auch Einfluss verloren.
Wer bei Centrotherm künftig das Sagen hat, wurde am Montag deutlich. Zum einen beschloss die Hauptversammlung die Aufstockung des Aufsichtsrats von drei auf sechs Mitglieder. In Tobias Wahl und Christoph Herbst gehören dem Gremium künftig zwei Rechtsanwälte an, deren Sozietät während des Schutzschirm- und des Insolvenzverfahrens als Sachwalter der Gläubiger-Interessen fungierte. Wahl, designierter Vorsitzender des Aufsichtsrats, ist zudem geschäftsführender Gesellschafter bei Sol Futura. Neu im Aufsichtsrat sind auch Wolfgang Schmidt und Hans-Hasso Kersten, die nach eigenen Worten ebenfalls von Sol Futura zur Kandidatur aufgefordert wurden. Auch die bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Brigitte Zürn sowie Robert M. Hartung, der frühere Vorstandssprecher, wurden erneut ins Gremium gewählt. Der Steuerberater Rolf Breyer hatte nicht mehr kandidiert.
In den Rumpfgeschäftsjahren vom 1. Januar bis zum 30. September 2012 und vom 1. Oktober 2012 bis 31. Mai 2013 hatte Centrotherm Verluste von 370 beziehungsweise 77 Millionen Euro ausgewiesen. Die Zahl der Mitarbeiter sank von mehr als 1900 im Jahr 2011 auf nicht einmal 820. Wie aber soll es wieder aufwärts gehen? Jan von Schuckmann, Sprecher des Vorstands, räumte auf Nachfrage der Aktionärsvertreter ein, dass der Betrieb nach wie vor nicht ausgelastet sei. Alle Unternehmensbereiche seien in den vergangenen Monaten von Kurzarbeit betroffen gewesen. Die Überkapazitäten seien bewusst nicht abgebaut worden, um schnell reagieren zu können, "wenn sich der Markt belebt". Geplant sei, vom ersten Quartal 2014 an wieder voll zu arbeiten.
Während von Schuckmann und der Sanierungsexperte Tobias Hoefer, der ebenfalls Mitte 2012 in den Vostand berufen wurde, die Aktionärsvertreter nicht überzeugen konnten, übernahm Vertriebsvorstand Hans Autenrieth die Rolle des Mutmachers. Der Unternehmensgründer, der sich von Juni bis November 2012 aus dem Vorstand zurückgezogen hatte, betonte, Centrotherm habe in Asien, seinem wichtigsten Markt, einen guten Stand. Vor allem in Taiwan seien die Hersteller von Photovoltaikanlagen an Maschinen aus Blaubeuren interessiert. Ziel seien Solarzellen mit einem Wirkungsgrad von 20 Prozent, "und da müssen wir dabei sein". Autenrieth zuversichtlich: "Ich sehe sehr viel Hoffnung für 2014."
http://www.swp.de/ulm/lokales/alb_donau/...Beerdigung;art4299,2362945
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