AUFTRITT BEI "CHRISTIANSEN"
Gerster zelebriert öffentlich seinen Rausschmiss
Kaum entlassen, präsentiert sich der Ex-Arbeitsagenturchef Florian Gerster in der TV-Talkshow als Opfer einer orchestrierten Kampagne. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff nutzte die Chance, Unternehmensberater Roland Berger Gefälligkeitsgutachten, Seilschaften und Verschwendung von Steuergeldern vorzuwerfen.
Berlin - Er bemühte sich, charmant zu sein, doch kaum wähnte er sich unbeobachtet, sah man die Verbitterung in Florian Gersters Gesicht - und die Selbstgerechtigkeit. Der entlassene Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) sieht sich als Opfer einer Kampagne. Die Verwaltungsratmitglieder, die ihm am Samstag mit großer Mehrheit das Misstrauen ausgesprochen hatten, seien mit einer vorgefassten Position in die Sitzung gegangen, sagte Gerster am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Sabine Christiansen". Die Frage, ob sich aus dem Bericht der Innenrevision Verstöße bei der Vergabe von Beraterverträgen ableiten ließen, habe gar keine Rolle mehr gespielt.
Die Abstimmung sei von den Gruppen im Verwaltungsrat gründlich vorbereitet worden, sagte Gerster in der ersten Stellungnahme nach seiner Entlassung. "Das Ergebnis stand fest, bevor der Prüfungsbericht beraten werden konnte." Es sei vor allem um Stilfragen gegangen. "Ich kämpfe mit einem Bild, das Menschen erzeugt haben, die mich gar nicht kennen oder die ein Interesse hatten, es so zu malen." Er habe "erleben müssen, dass viele Mitglieder im Verwaltungsrat sich dem Gruppendruck gebeugt haben". Bei Einzelnen habe es ein "erkennbar schlechtes Gewissen" gegeben.
Auf die Frage, warum er nicht zurückgetreten sei, sagte Gerster: "Ich wollte aufrecht gehen" und "mich nicht davon stehlen". Von Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) fühle er sich fair behandelt. Clement habe ihn "menschlich und sachlich aufs Beste unterstützt" und auch seinen Reformkurs uneingeschränkt mitgetragen.
Doch Gersters märtyrerhafter Auftritt - oder die Peinlichkeit, dass er sich diesen nicht verkneifen konnte - wurde mitnichten zum Höhepunkt des Abends. Vielmehr stahl ihm der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff diese letzte große Schau, indem er den ebenfalls geladenen Roland Berger erfrischend offen attackierte. Er warf dem populären Unternehmensberater Gefälligkeitsgutachten, Seilschaften und Verschwendung von Steuergeldern vor. Kalt erwischt, forderte Berger eine Erklärung oder sofortige Rücknahme des Begriffs Seilschaft, doch Wulff war vorbereitet. Er berichtete von weit über 300 Beraterverträgen, die die vorangegangene Regierung geschlossen habe, und kritisierte die Ergebnisse der Firma Berger als gelegentlich kaum die Qualität von Anträgen der Grünen überschreitend.
Der sprachlose Berger wurde von Talkmasterin Sabine Christiansen gerettet, die hurtig das Thema wechselte. Dieses eine Mal wünscht man sich, Sie hätte die Diskussion eskalieren lassen.
Spiegel online, 25.1.2004
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