Devisen-Dilemma
Von Christoph Amberger
Ein in Europa lebender Amerikaner schrieb einen Leserbrief: "Im März 1985 hätten Sie und ich für 10.000 Dollar 28.000 Schweizer Franken kaufen können. Nur drei Jahre später hätten wir für den gleichen Betrag nur noch 14.000 Franken bekommen. In nur drei Jahren verlor der Dollar gegenüber dem Franken die Hälfte seines Wertes. Die USA verloren die Hälfte ihrer Welt-Kaufkraft - also die Hälfte unseres Reichtums."
Ich erinnere mich an das Jahr 1985 noch ziemlich gut. Ich ging damals in Aberdeen, Schottland, zur Schule, und war einer der vielleicht ein Dutzend in dieser Stadt studierenden Deutschen. Die Deutschen dort hingen meistens mit den Amerikaner rum ... Deshalb erinnere ich mich noch ziemlich genau daran, dass der Dollar damals im Verhältnis zum britischen Pfund bei nahezu 1:1 stand. Mit anderen Worten: Der Dollar hatte damals ein zyklisches Hoch gegenüber dem Pfund und den anderen europäischen Währungen.
Statistiken sind eine schöne Sache. Wenn man sich den richtigen Zeitrahmen sucht, und dann direkt bei einem Zyklus-Topp beginnt, dann kann man natürlich zweifellos beweisen, dass diejenigen Amerikaner, die ihre Lebensmittelrechnungen in Euro oder Yen bezahlen, nur halb so reich sind wie vor zwei Jahren!
Für den Rest der Amerikaner sind die Nachrichten hingegen sogar sehr gut: Die Kernrate der Inflation liegt in den USA bei rund 1,5 %, die Unternehmen haben im letzten Quartal 17,2 % mehr Ausrüstungen und Software gekauft. Die Konsumenten geben 5,1 % mehr aus.
Und selbst der niedrige Dollar tut sein Bestes, um den permanenten Jammer-Tiraden der europäischen und asiatischen Kritiker am US-Handelsbilanzdefizit nachzukommen. Die Exporte stiegen auf Jahresbasis um 6,3 %, während die Importe um 6 % gestiegen sind. Monat für Monat werden fast 200.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Arbeitslosenquote von 5,5 % ist nur halb so hoch wie die normalerweise untertriebene offizielle deutsche Arbeitslosenquote.
Wenn man bedenkt, dass die wirtschaftliche Stagnation in Europa niemals wirklich überwunden worden ist und dass die japanische Wirtschaftserholung auf zumindest wackligen Beinen steht - dann ist es keine Frage, woher die nächste Welle wirtschaftlichen Reichtums kommen wird: Von den US-Märkten. Und vom Dollar.
Währenddessen hat die Europäische Zentralbank eine weitere Möglichkeit zur Schaffung von Wachstum verstreichen lassen. Die grauen Männer ließen den Leitzins unverändert bei 2 %.
Aber Gerüchte gehen um, dass japanische und EU-Autoritäten die Aussichten gemeinsamer Interventionen diskutieren, falls der Yen und der Euro weiterhin gegenüber dem Dollar steigen sollten. Der Anreiz für solche Interventionen ist offensichtlich: Japan hat über 800 Milliarden Dollar, und mit jedem Cent, den der Dollar verliert, werden diese gut 800 Milliarden Dollar fast 8 Milliarden Dollar weniger wert.
Hiroshi Watanabe, der Vize-Finanzminister, teilte Reuters mit, dass der Dollar eigentlich nicht schwächeln sollte, wenn man das überlegene Wirtschaftswachstum der USA bedenkt. Das letzte Mal, das Japan und Europa zusammen am Devisenmarkt intervenierten, war im Jahr 2000. Damals stützten sie den fallenden Euro.
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