Aus: "Junge Welt" vom 29.10.2003, Inland
Gescheitertes Wahlexperiment Brandenburg: Wählen-ab-16-Simulation endete mit Siegen für die NPD
Christoph Schulze Es hatte ein kraftvolles Zeichen für ein Wahlrecht ab 16 werden sollen, aber das Experiment ging gehörig daneben. Für die Brandenburger Kommunalwahlen forderte der Verband »Berlin-Brandenburgische Landjugend« Heranwachsende im Alter von 16 und 17 Jahren auf, per Telefon, SMS, Fax oder in ausgewählten Jugendklubs an die Wahlurne zu treten. Es sollte gezeigt werden, daß die Brandenburger Jugend nicht politikverdrossen ist, sondern ihre Interessen zu vertreten weiß. Die Auswertung der rund 350 abgegebenen Stimmen liegt nun vor und bestätigt eher Vorurteile über einige Brandenburger Landstriche, als daß aus ihr ein Zeichen für ein Wahlrecht ab 16 abzulesen wäre: Ein großer Teil der Jugend in Brandenburg tendiert nach rechts. In Cottbus bekamen etwa die Neonazis der NPD 15 Prozent aller Stimmen, in der Prignitz knapp 22 Prozent. Im Landkreis Spreewald-Neiße kürte die Jugend mit 28,7 Prozent die NPD gar zum Wahlsieger. Zweitstärkste Kraft wurde dort die CDU mit 21,5 Prozent. Auf das ganze Land umgerechnet landete die NPD mit 11,9 Prozent auf Platz vier - mehr Stimmen bekamen CDU (23,5), PDS (20,8) und SPD (19,9). Die DVU erreichte lediglich 2,1 Prozentpunkte. Bei den wirklichen Wahlen am vergangenen Sonntag erhielt die NPD 14500 Stimmen - 0,52 Prozent. Die starken Ergebnisse für Rechtsaußen bei der Jugend-Wahlsimulation seien als »Protest« gegen die etablierte Politik zu sehen, analysiert die Landjugend, »andererseits zeigen sich hier deutlich die zunehmend starken Einflüsse rechtskonservativer und rechtsextremistischer Gruppierungen auf Jugendliche.« Zum Einbruch der SPD - in der Größenordnung vergleichbar mit den Ergebnissen der tatsächlichen Kommunalwahl - sei es gekommen, weil die Sozialdemokraten auf Bundesebene für »ein gewisses Chaos in der Politik« stünden.
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