| | | | Nationale und internationale Presse beschäftigten sich mit den Landtagswahlen (AFP) | | | | 20. September 2004
"Schmutziger Fleck" für Deutschland
Landtagswahlen: Pressestimmen aus dem Ausland
Das Ergebnis der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg beschäftigt am Montag die internationale Presse. Mit Unverständnis, Sorge und Entsetzen reagieren die ausländischen Journalisten auf das Erstarken der rechtsextremen DVU und NPD und die Gewinne der PDS. Schweiz: "Tages-Anzeiger""(...) Die etablierten Parteien vertrauten (...) darauf, dass sich die Neonazis als 'zu doof' erweisen würden, um in den Landesparlamenten erfolgreich mitwirken zu können. Aber die Hoffnung, DVU und NPD würden von den Wählern nur einmalig, als Denkzettel, in die Parlamente gewählt, wurde in Brandenburg widerlegt. (...) Gestern tröstete das deutsche Fernsehen die Zuschauer mit einer Umfrage, wonach 86 Pozent der Wähler angaben, sie hätten die NPD aus Protest gewählt. Nur 9 Prozent wollen es aus Überzeugung getan haben. Ist das beruhigend? NPD und DVU hatten mit 'Schnauze voll'-Parolen erfolgreich auf dieses Potenzial gezielt. So bleibt nur die Hoffnung, dass das verheerende Resultat der SPD die Partei doch noch alarmieren könnte. Damit die demokratischen Parteien den Kampf gegen die Rechtsextremen endlich aufnehmen. Wegschauen ist kein Rezept." Frankreich: "Les Dernières Nouvelles d'Alsace""Die Warnungen Gerhard Schröders vor dem 'braunen Schmutz' haben letztlich nichts genützt. Die Rechtsextremen werden tatsächlich (...) in die Landtage von Sachsen-Anhalt und Brandenburg einziehen (...). Die Extremisten, rechts wie links, und - wenn auch in geringerem Umfang - die Grünen und Liberalen profitieren vom Versagen der großen Parteien, die am Pranger sind - wegen ihrer Reformen und ihrer Unfähigkeit, den Erwartungen der Bürger gerecht zu werden. (...) Und die Neokommunisten nützen, 15 Jahre nach dem Fall der Mauer, 14 Jahre nach der Wiedervereinigung, das Gefühl der Ernüchterung vieler Ostdeutscher aus." Italien: "La Repubblica""Zwei Gespenster gehen im Herzen Europas um, die Geister der Neonazis und des stalinistischen Neokommunismus. Fast 15 Jahre nach dem Fall der "Mauer der Schande" gehen Gruppen der fremdenfeindlichen, antiwestlichen und antisemitischen Ultrarechten sowie die Erben der DDR-Diktatur siegreich aus zwei Landtagswahlen in Ostdeutschland hervor. Nostalgiker der "beiden Hs", von Hitler und Honecker, gewinnen mit ganz ähnlichen Slogans: Nein zum Abbau und zu den Reformen des Sozialstaates, Nein zum Euro und zur NATO, Nein zum Europa der offenen Grenzen. Die extremen politischen Ränder lasten wie ein schmutziger Fleck auf dem internationalen Ansehen der deutschen Demokratie." Tschechien: "Mlada fronta Dnes""Noch nie seit 1990 haben sich so viele Ostdeutsche als Verlierer der Einheit gefühlt. Im Jahr 15 nach dem Mauerfall ist die Stimmung auf dem Nullpunkt. Der deutsche Herbst verspricht wild zu bleiben. Bereits geändert hat die Wut auf die Arbeitsmarktreformen die politische Landkarte in Ostdeutschland. Doch die braunen Streifen beschädigen das Image dieser Region und verschrecken Investoren. Ja, die Deutschen wollten mit ihrer Stimme strafen. Mit der verzweifelten Wahl der Rechtsextremen haben sich sich jedoch letztendlich selbst bestraft." Österreich: "Kurier""Über das, was zur Wahl stand, die Politik der Landesregierungen und ihre regionalen Alternativen, wurde nicht abgestimmt: Es war eine Denkzettelwahl für die Bundesregierung. Der Protest gegen deren Arbeitsmarktreform "Hartz IV" und dann auch noch gegen die vermeintliche Benachteiligung der Ostler durch die Westler hat alles Regionale überlagert. Das tut weh, weil es nur emotional und so irrational ist wie historisch und in Zahlen falsch." Österreich: "Der Standard""Spitzenvertreter der demokratischen Parteien haben mit ihrem Verhalten vor der Wahl zum Erstarken der NPD in Sachsen und der DVU in Brandenburg beigetragen. Zum einen haben sie durch die Art, wie der Bevölkerung die Arbeitsmarktreform ohne Erläuterungen einfach vorgesetzt wurde, Proteste provoziert, von denen die Parteien am rechten Rand profitierten. Die Appelle von Bundeskanzler Gerhard Schröder kurz vor dem Urnengang, doch aus Rücksicht vor einem Imageverlust Deutschlands im Ausland keine rechten Parteien zu wählen, dürften eher einen "Jetzt erst recht"-Effekt ausgelöst haben. Was von allen demokratischen Parteien versäumt wurde, ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit NPD und DVU. (...) Ein Trost mag sein, dass rechtsextreme Parteien im demokratischen System rasch selbst scheitern." Niederlande: "de Volkskrant""Den etwas verkrampften Reaktionen auf die Wahlergebnisse für die NPD in Sachsen und die DVU in Brandenburg kann man entnehmen, dass man in Deutschland noch immer keine guten Umgangsformen mit unerwünschten politischen Entwicklungen gefunden hat. Schon seit vierzig Jahren macht sich zu bestimmten Zeiten "Rechtsaußen" bemerkbar - vor allem außerhalb des parlamentarischen Systems, aber auch innerhalb. (...) Und jetzt gilt die NPD, die im vorigen Jahr knapp dem Verbot entging, als größte Bedrohung der jungen deutschen Demokratie. Aber es gibt keine seriösen Versuche, dieses Phänomen zu analysieren. Man gibt sich mit einigen Beschwörungsformeln zufrieden. (...) Der Werdegang der PDS, die sich ebenso wenig auf eine demokratische Vergangenheit berufen kann und vor allem durch Proteststimmen gewachsen ist, macht deutlich, dass ein entspannterer Umgang mit den politischen Flanken befriedigendere Resultate bringt." Russland:"Kommersant""Die Ergebnisse in Brandenburg und Sachsen und die Niederlage der SPD sprechen eine deutliche Sprache. Die Reformen von Bundeskanzler Gerhard Schröder sind gescheitert. Dabei hatte Schröder seine Sozialreformen vor allem auf die Menschen in Ostdeutschland ausgerichtet. Doch die Wähler in Brandenburg und Sachsen haben deutlich gemacht, dass sie nicht bis zum Jahr 2010 auf ein besseres Leben warten wollen. (...) Die erneute Niederlage bei Landtagswahlen könnte bedeuten, dass die SPD bei den nächsten Bundestagswahlen als Regierungspartei abgelöst wird." (N24.de, AFP)
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