Fremdblut-Doping: Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,496323,00.html Tuning für Todesmutige Von Stefan Schmitt Sauerstoff ins Blut, auf Teufel komm raus: Nach diesem Prinzip funktioniert Blutdoping, das Tour-de-France-Star Winokurow jetzt zum Verhängnis wurde. Die betrügerische Methode, äußerst effektiv und im Zweifelsfall tödlich, ist wie Höhentraining ohne Höhe - und ohne Training. Man könnte das Fremdblut-Verfahren als Doping für Draufgänger bezeichnen - wenn es nicht verboten und unsportlich wäre. Die Methode selbst, die nun bei Astana-Star Alexander Winokurow nachgewiesen wurde, ist denkbar effektiv - und gefährlich. Denn der Wirksamkeit des Eigenblutdopings, über das im Zusammenhang mit dem spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes berichtet wurde, fügt die Variante mit fremdem Blut erhebliche gesundheitliche Risiken zu. Allergische Reaktionen, Nierenschäden, Fieber, die Gefahr einer Gelbsucht-, Aids- oder Hepatitis-Infektion, nicht zuletzt die Möglichkeit eines allergischen Schocks: Die Liste der Risiken und möglichen Nebenwirkungen ist bei Fremdblutdoping lang - mindestens so sehr wie bei anderen Dopingpraktiken: Nach dem spektakulären Fall Winokurow, der zum Rückzug des kasachischen Rennstalls Astana von der diesjährigen Tour de France geführt hat, rückt jenes Doping-Verfahren wieder ins Scheinwerferlicht, obwohl es eigentlich schon als passé galt - wegen des potenten Konkurrenten Epo. Wie funktioniert Fremdblutdoping? Bei Blutdoping geht es um rote Blutkörperchen (Erythrozyten). Sie transportieren den Sauerstoff aus den Lungenbläschen in die Muskeln - je mehr, desto besser. Beim Eigenblutdoping wird einem Sportler eigenes Blut abgezapft, dieses in einem komplizierten Verfahren mit roten Blutkörperchen aufbereitet und dann dem Sportler wieder injiziert. Bei der Fremdblutvariante wird einem Spender Blut abgenommen. Er muss dieselbe Blutgruppe und den selben Rhesusfaktor des Sportlers haben, für den die Erythrozyten bestimmt sind. Sie werden von den restlichen Blutbestandteilen abgeschieden, mit einem Gerinnungshemmer versetzt und kühl gelagert. Vor dem Wettkampf - etwa einer besonders schweren Bergetappe - erhält der Athlet eine betrügerische Infusion, welche die Anzahl der roten Körperchen in seinem Blut auf einen Schlag erhöht. Als zweifelhafter Pionier dieses Verfahrens, wenngleich mit Eigenblut, gilt der finnische Langstreckenläufer und zweifache Olympiasieger (1972 und 1976) Lasse Viren. Was bewirkt Fremdblutdoping? Blutdoping ist wie Höhentraining ohne Höhe und Training. Traditionell quälen sich Ausdauersportler zur Wettkampfvorbereitung im Gebirge, wo die Luft dünn ist. Weil der Körper da schlechter Sauerstoff über die Lungen aufnehmen kann, steuert er gegen, indem er mehr rote Blutkörperchen bildet. Im Wettkampf ist das von Vorteil, weil die Muskeln besser versorgt werden können. Der Blutkreislauf ist die Sauerstoffpumpe des Körpers. Höhentraining macht sie stärker - das ist die legale Variante. Beim Blutdoping wird dieser Push ohne eigene Anstrengung erzielt. Und der Effekt ist bemerkenswert: Ein Beispiel-Athlet von 70 Kilogramm Körpergewicht hat rund 5 Liter Blut in seinem Kreislauf, davon sind etwa 2,3 Liter Blutkörperchen. Nach dem Blutdoping sind es 2,7 Liter - eine Zunahme von über 15 Prozent. Die Leistungsfähigkeit des Sportlers nimmt zu. Besonders im Ausdauersport kann das wettkampfentscheidend sein. Dopingexperten glauben, dass die tatsächliche Leistung um bis zu 10 Prozent steigen kann. Wie weist man Fremdblutdoping nach? Es gibt zwei grundsätzlich verschiedenen Nachweisverfahren. Eines setzt bei der Menge der Erythrozyten in einem bestimmten Blutvolumen an. Der sogenannte Erythrozyt-Wert ist bei Blutdopingsündern erhöht. Doch Dopingmediziner wissen, wie wenig man auf diese Nachweismethode noch vertrauen kann. Im simpelsten Fall trinken Dopingsünder nach der Infusion besonders viel, um ihre Werte zu drücken. In jüngster Zeit galt das Augenmerk daher verstärkt den Retikolozyten, jungen Blutkörperchen. Sie machen zwar nur einen geringen Anteil am Blutplasma aus - wenn aber das Verhältnis zwischen ihnen und ausgewachsenen Erythrozyten nicht stimmt, ist das ein deutlicher Hinweis auf Manipulation, allerdings kein harter Beweis. Betrügt ein Athlet mit fremden Blutkörperchen, gibt es noch eine zweite Nachweismethode. Auch wenn Blutgruppe und Rhesusfaktor gleich sind, unterscheiden sich die beiden Erythrozyten-Populationen im Blut des Betrügers durch ihre kollektive Immunreaktion. Bei Dopingkontrollen wird daher mit speziellen Antigenen gearbeitet, die eine Abwehrreaktion im Körper hervorrufen. Die Intensität dieser Reaktion können Ärzte messen. Sie bilden sie als Kurve ab: Besitzt der Athlet nur eigenes Blut, hat diese Kurve eine Spitze. Hat er betrogen, verrät dies eine zweite, kleinere Spitze. Sie wird von der - unterscheidbaren - Reaktion der zugeführten Blutkörperchen verursacht. Welche Risiken birgt es? Schon das Eigenblutdoping ist riskant. So mancher mysteriöse Todesfall bei Profi-Radsportlern wird auf diese Betrugsmethode zurückgeführt. Je länger die Konserven gelagert werden, desto größer wird die Gefahr, dass sich kleinste Gerinnsel bilden. Gelangen sie mit der Transfusion in den Blutkreislauf des Athleten können sie dessen Gefäße verstopfen. Außerdem kann sich das Blut durch die Zufuhr verdicken - Thrombosen drohen. Bei der Verwendung fremden Bluts kommen zudem allergische Reaktionen als häufige Nebenwirkungen hinzu. Schließlich stammen die Blutkörperchen aus einem anderem Körper mit anderem Immunsystem - und gleiche Blutgruppe und gleicher Rhesusfaktor garantieren nicht, dass der eigene Körper nicht auf den chemischen Reiz des fremden Blutes überreagiert. Mögliche Folgen reichen von Hautstörungen über Kreislaufschocks bis zu Organ- und Kreislaufversagen, die tödlich enden können. Ebenso drohen Nierenschäden und Fieber. Weil das Fremdblut mit Viren verschmutzt sein kann, setzen sich Fremdblutdoper auch der Gefahr einer Gelbsucht-, Aids- oder Hepatitis-Infektion aus. Nicht zuletzt gibt es noch die ganz trivialen technischen Risiken: Die Konserven müssen durchgehend zwischen zwei und acht Grad Celsius gelagert werden. Als Maximalzeit werden 30 bis 40 Tage angegeben. Alle Abweichungen von diesen Etwawerten stellen zusätzliche Risiken dar. Verschmutzungen bei der Entnahme, im Labor oder bei der Infusion sind zusätzliche Pforten für Krankheiten.
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