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UNTERNEHMER Das Biotech-Trio Von Michaela Schießl
SAP-Gründer Dietmar Hopp hat ein neues Aufbauprojekt: die Biotechnologie. Mit Hilfe zweier Berater will er die Branche aus der Bedeutungslosigkeit hieven.
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Weinheim? Ach tatsächlich?" Dietmar Hopp müht sich, das Thema herunterzuspielen. Reiner Zufall sei das, ohne jede Bedeutung, und schon gar nicht symbolisch zu verstehen. Er springt auf, läuft zum Computer, druckt Dokumente aus, lenkt ab.
Tim Wegner Biotech-Partner Bohlen, Hopp, Hettich: Nur wenige Unternehmen überleben die lange Durststrecke Lenkt ab von Weinheim, wo er schon einmal eine ganz große Sache ganz klein begonnen hatte, 1972, als er mit vier Kollegen von IBM eine Firma namens SAP gründete.
Drei Jahrzehnte und eine Erfolgsstory später ist Weinheim erneut die Startlinie für den Mann, der aus drei Buchstaben den viertgrößten Software-Konzern der Welt geformt hat.
Denn hier sitzt die Firma Cytonet, Dietmar Hopps Einstieg in die Biotechnologie. 15 Millionen Euro hat der Investor im Jahr 2000 in das Unternehmen gesteckt, das Leberzellen entwickelt, um zukünftig Transplantationen überflüssig zu machen. "Den Namen kennen Sie vielleicht", sagt Hopp, "die haben im Januar den Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft bekommen." Der 67-Jährige strahlt wie ein Vater, dessen Kind gerade für das beste Abitur des Jahrgangs geehrt wurde.
Er ist stolz auf den Erfolg seines Investments, stolz, wieder mal den richtigen Riecher gehabt zu haben in einer Branche, auf die nach den zerborstenen New-Economy-Träumen niemand mehr einen Pfifferling setzen wollte. Eine Branche, die Hopp nach der Informationstechnologie für "die nächste große Welle" hält. Und wie immer, wenn der eigensinnige Badener von etwas überzeugt ist, geht er in die Vollen: 320 Millionen Euro hat er in 15 Biotech-Firmen gesteckt, das macht ihn zu Deutschlands größtem Einzelinvestor in diesem Sektor. Auch Sohn Oliver und Bruder Rüdiger sind eingestiegen.
Hopp will starke Firmen und krisenfeste Arbeitsplätze
Das Ziel ist nicht gerade bescheiden: Hopp will aus den vielen kleinen Bio-tech-Buden starke Firmen entwickeln, will krisenfeste Arbeitsplätze schaffen, will Deutschland auch auf diesem Gebiet als Hightech-Nation nach vorn bringen. Das klingt fast wie eines dieser Wahlversprechen von Politikern, doch davon hat Hopp längst genug. Zu wenig Geld stecke der Staat in Forschung und Bildung, findet er. Darum macht er's eben selbst.
Es ist keine kleine Vision, die er da hat, und doch entstand sie fast zufällig.
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English Texts Dossiers zum Heft AbonnementDenn als alles begann, hatte der Software-Experte keine Ahnung von Biotech. Er war bereits vom SAP-Vorstandsvorsitz zurückgetreten, und alle dachten, der sportbesessene Senior würde ab jetzt wahlweise auf seinem Golfplatz in St. Leon-Rot putten oder sein liebstes Baby hätscheln, den Fußballclub im Dorf Hoffenheim. Dort hat er als Knabe gekickt, dort soll nun, das ist sein fester Wille, eine Erstligamannschaft entstehen.
Der Mann liebt solche Kraftakte, und vielleicht hatte sein langjähriger Berater Christof Hettich das im Hinterkopf, als er ihm vorschlug, in Cytonet zu investieren. Der Anwalt genießt Hopps Vertrauen, seit er ihn aus der schwerdefizitären Beteiligung bei Henninger Bräu befreite.
Statt auf Bier setzte Weintrinker Hopp nun auf Biotech. 2004 übernahm er die Firma Heidelberg Pharma, die Arzneimittel gegen Krebs und Aids entwickelt, aus der Insolvenz. Dieses Engagement blieb nicht unbemerkt. Friedrich von Bohlen, der Heidelberger Biotech-Pionier, horchte auf.
Der Neffe des Stahlmagnaten Alfried Krupp war zu Zeiten des Bioscience-Hypes der Star der Branche, sein Bioinformatik-Start-up Lion Bioscience, das Software für Arzneiforscher entwickelte, galt zum Jahrtausendwechsel als das nächste große Ding, als Weltfirma von morgen. Die Analysten feierten die Firma, die Medien den Unternehmer: ein Fallschirmjäger mit Nahkampfausbildung, der Fische mit der Hand fangen kann. Ein Kunstflieger mit Doktortitel in Neurobiologie. Ein in der Schweiz ausgebildeter Betriebswirt, der Led Zeppelin mag, moderne Kunst und Currywurst.
"Löwe endet als Bettvorleger"
Dem gutaussehenden Seitenscheitler schien alles zu gelingen. Der Börsengang von Lion Bioscience brachte im August 2000 sensationelle 220 Millionen Euro ein. "SAP der Gesundheitsbranche" nannte sich das Unternehmen hoffnungsfroh.
Doch das Geld verbrannte in der kapitalintensiven Forschung schnell wie Stroh. Dann, am 11. September 2001, kam der Schicksalsschlag. Lion-Finanzchef Klaus Sprockamp konferierte im 94. Stock des World Trade Center in New York mit Investoren. Es war 8.30 Uhr. Er starb in den Trümmern der Türme.
Bis Juli 2002 verlor die Lion-Aktie 90 Prozent ihres Werts. "Der Löwe ist als Bettvorleger gelandet", spotteten die Medien jetzt, und die Aktionäre grölten auf der Hauptversammlung: "Ich hab mein Geld in Heidelberg verloren." Als Bohlen Ende 2003 als Vorstand zurücktrat, war die Firma noch gut 60 Millionen Euro wert.
Sein Ruf als Kenner der Biotech-Szene blieb jedoch unangetastet. Und so rief ihn bald ein Freund an und machte ihn auf eine Firma aufmerksam, die dringend private Investoren suchte: Cosmo Pharmaceuticals, mit Sitz nahe Mailand.
Bohlen prüfte den Kandidaten, der Arzneimittel gegen Dickdarmerkrankungen und Impfstoffe gegen Krebs entwickelt - und beschloss, Dietmar Hopp einzuschalten. Die beiden hatten sich einmal auf einem Podium kennengelernt, flüchtig nur, doch die Chemie zwischen den Machern hatte gestimmt. "Ich sagte ihm: Cosmo, das ist ein Elfer ohne Torwart." Hopp stieg ein.
Nicht ein einziges Wort verlor er über Bohlens angeschlagenes Unternehmen. Stattdessen schlug er fast beiläufig vor, Bohlen solle sich doch einmal mit seinem Berater Hettich treffen.
Da war es wieder, das legendäre Talent des Dietmar Hopp, die richtigen Leute zusammenzubringen.
2. Teil: Warum Hipp sein Geld in diese riskante Branche steckt
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Hettich und Bohlen gründeten 2005 die Beratungsfirma Dievini, die seither sämtliche Biotech-Investitionen für Hopp aussucht und betreut. In der Mythologie bedeutet Dievini so viel wie Hausgötter, doch die beiden Biotech-Experten verstehen sich eher als gute Geister. Die guten Geister von Dietmar Hopp.
Über 200 Businesspläne haben Hettich und Bohlen in den vergangenen zwei Jahren studiert, Dutzende von Präsentationen gehört. Nur ein Bruchteil der Unternehmen schafft es bis zu ihrem Geldgeber: "Wenn wir beide nicht 100 Prozent überzeugt sind, stellen wir es Hopp nicht vor."
Schließlich ist ihr Klient kein Spieler. Risikobereit jedoch muss sein, wer in Biotech investiert. Nur wenige Firmen überleben die jahrelange Durststrecke, all die Tests und Zulassungsbedingungen, bis ein Medikament, ein Verfahren endlich Marktreife erlangt. Gut zehn Jahre dauert das im Schnitt. Ein fehlgeschlagener Versuch, eine nicht abzusehende Nebenwirkung kann alle Hoffnungen zerschmettern.
Warum also steckt Hopp sein Geld ausgerechnet in diese riskante Branche?
Sicher, mit einem geschätzten Vermögen von 5,3 Milliarden Euro hat er das nötige Kleingeld, um Rückschläge hinzunehmen. Außerdem verhält er sich wie jeder gute Investor gern antizyklisch und kauft, wenn Preise tief und Hoffnungen groß sind. Vor allem aber sieht Hopp das Potential, etwas Bleibendes aufzubauen: eine Industrie, die irgendwann einmal mitspielen kann, Bundesliga mindestens, vielleicht sogar Champions League.
Deutschland hinkt hinterher
Tatsächlich hinkt Deutschland in Sachen Biotechnik international weit hinterher. Der Branchenumsatz hierzulande beträgt gerade mal 945 Millionen Euro jährlich - knapp ein Zwölftel von dem, was der US-Marktführer Amgen allein umsetzt.
Die Branche aus der Bedeutungslosigkeit herauszuhieven, davon träumt das Heidelberger Biotech-Trio. "Was wir machen, ist company building", sagt Bohlen. Investiert wird ausschließlich in drei Bereiche: Krebstherapien, Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie Alzheimer oder Parkinson und informationsbasierende Medizin. Die Firmen sind in jedem Segment so gewählt, dass sie sich ergänzen. Kasse soll durch Firmenverkäufe, die Auslizenzierung von Produkten an Pharmakonzerne oder durch den Börsengang gemacht werden, so der Plan.
Vier der Hoppschen Beteiligungen werden bereits gehandelt: Den Börsengang der Münchner Wilex, die an der Behandlung von Krebstumoren forscht, unterstützte Hopp im November 2006, indem er circa 25 Prozent des Emissionsvolumens übernahm. Die Mailänder Cosmo startete im März 2007. Bei Sygnis Pharma aus Heidelberg, die 2006 aus Lion Bioscience und der BASF-Tochter Axaron zusammengesetzt wurde, steht innerhalb der nächsten zwölf Monate eine weitere Kapitalaufnahme an der Börse bevor.
Hopps heißester Kandidat ist GPC Biotech: Das Münchner Unternehmen hat mit dem Prostatamedikament Satraplatin ein Produkt in der Pipeline, das gute Chancen hat, schon in diesem Jahr in den USA und 2008 in Europa zugelassen zu werden.
"Da hatten wir zum ersten Mal ein gewaltiges Feedback", sagt Bohlen. Experten beziffern das Umsatzpotential von Satraplatin auf mindestens eine halbe Milliarde Euro im Jahr. Mit seinem Einsatz von 36 Millionen Euro für knapp zehn Prozent der Aktien hat Hopp schon über 50 Prozent Gewinn gemacht.
Täglich Businesspläne im Briefkasten
Die Heidelberger hoffen, dass dieser erste große Wurf auch andere Investoren in Biotech lockt. Denn das tut dringend not: Nur 433 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr in Deutschland investiert - elf Prozent weniger als 2005, konstatiert der "Deutsche Biotechnologie-Report" der Unternehmensberatung Ernst & Young.
Angesichts dieser Zurückhaltung wundert es kaum, dass viele Firmen ihr Glück bei Dievini versuchen. Täglich quellen Businesspläne aus dem Briefkasten. Doch wie den richtigen Kandidaten finden?
"Wir achten stark darauf, dass die Firmen auf mehr als ein Produkt setzen", erklärt Hettich. Ganz wichtig aber sei auch das Bauchgefühl: "Die Personen müssen überzeugen." Wer das schafft, darf nach St. Leon-Rot reisen, ins Zentrum des Hoppschen Universums. Dort, wenige Kilometer von der Walldorfer SAP-Zentrale entfernt, hat sich der sportbegeisterte Unternehmer einen Traum erfüllt, in Gestalt eines luxuriösen 18-Loch-Golfclubs. Es ist einer der schönsten im Land, natürlich, die Golfelite der Welt trifft sich hier zum Turnier.
Während die Sportler auf dem Rasen die Eisen schwingen, schwitzen die auserwählten Firmenchefs im Clubhaus bei der Präsentation vor Hopp. Meist stimmt er den Vorschlägen seiner Hausgötter zu. Dann beginnt für Hettich und Bohlen die eigentliche Arbeit. Denn anders als gewöhnliche Financiers kümmern sie sich intensiv um die Investments. "Wir sind so etwas wie Paten", sagt Hettich, "wir geben den Firmen Hilfestellung in Sachen Aufbau, Struktur, Geschäftsentwicklung, eigentlich in allen Belangen." Einer von beiden sitzt immer im Aufsichtsrat.
Zweimal im Jahr rumspinnen und Verbotenes denken
Alle vier Wochen berichten Hettich und Bohlen ihrem Investor von der Entwicklung seiner Babys, zweimal im Jahr begutachtet der seine Zöglinge selbst. Dann ruft der Mann, der bei SAP wegen seiner Fürsorglichkeit "Vadder" genannt wurde, alle Vorstands- und Finanzchefs seiner Biotech-Welt in St. Leon-Rot zusammen.
Sie sollen sich kennenlernen, rumspinnen, Verbotenes denken und Unmögliches planen, ganz so, wie Hopp und seine Kompagnons das einst taten. Und weil ihm so wichtig ist, dass die Kultur stimmt, tritt der Unternehmer schließlich selbst auf und verrät den Youngstern die Gebote des Erfolgs: "Ihr sollt euch als Vorgesetzte wie ein Teammitglied verhalten. Jeder Mitarbeiter muss die Freiheit haben, Fehler zu machen. Ihr sollt nicht mauern, nicht intrigieren, keine Flurpolitik betreiben."
Alles Selbstverständlichkeiten für Hopp, so hat er schließlich SAP aufgebaut. Doch wer heute die Presse studiert, all die Skandale, Korruptionsfälle und Ränkespiele, kann auf andere Ideen kommen. Deshalb, sagt Hopp, "muss man den Jungen sagen, worauf es ankommt, auch im Geschäftsleben: auf Anstand und Ehrlichkeit".
Und, das sollte man niemals unterschätzen, auf den korrekten Auftritt, also sprintet der Milliardär aus dem Konferenzsaal hoch in sein Apartment und wechselt das orangefarbene Poloshirt gegen Hemd, Krawatte und Jacket, für das Foto im SPIEGEL. Nicht, dass jemand denkt, es sei ihm nicht ernst.
...Greats @allSemi ☺
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