SPIEGEL ONLINE - 25. April 2005 URL: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,353366,00.html Umfrage TV-Zuschauer geben Fischer schlechte Note
Joschka Fischer im Stimmungstief: In der live im Fernsehen übertragenen Befragung zur Visa-Affäre hat der Außenministers die meisten Zuschauer nicht überzeugt. Zuschauer-Umfragen der Sender zufolge gab die große Mehrheit an, Fischers Aussagen seien nicht glaubwürdig. Berlin - Den Umfragen der beiden Nachrichtensender n-tv und N24 zufolge kamen die Ausführungen Fischers beim Publikum nicht gut an. Seit Vormittag schickten Sendeanstalten regelmäßig die aktuellen Ergebnisse zu Fragen bezüglich der Glaubwürdigkeit Fischers über den Bildschirm.
Um 11.15 Uhr trug Fischer bereits seit gut einer Stunde vor dem Ausschuss vor. Nur 34 Prozent der Anrufer bei n-tv waren zu diesem Zeitpunkt der Meinung, die Aussagen des Außenministers seien glaubwürdig. 66 Prozent befanden, sie seien es gerade nicht. Um 16.45 Uhr registrierte der Sender etwa 68.000 Telefonate. Aber für Fischer wurde es nicht besser. Im Gegenteil: Nur noch 27 Prozent fanden die Antworten glaubwürdig, 73 Prozent schenkten ihm keinen Glauben.
Ein ähnliches Stimmungsbild gab es beim Sender N24. Am Vormittag registrierte man dort "mehrere Tausend" Anrufe, wie Sprecher Thorsten Pütsch sagte. Bis zum in die Nacht offenen Ende des parlamentarischen Verhörs rechnete er mit mindestens 10.000 Anrufern. Wer sie sind und aus welchen Berufsgruppen sie stammen, konnten die beiden Sender nicht angeben. Deshalb gelten die Umfragen auch nicht als repräsentativ. "Aber sie zeigen ein Stimmungsbild", sagte Pütsch.
N24 stellte alle 15 Minuten den Anrufern vier neue Fragen. Die Antworten wurden eins zu eins auf den Bildschirm übertragen und führten dazu, dass die Barometer für "Ja" und "Nein" zunächst heftig hin- und hergingen. Für die Befragung der Zuschauer über den Tag verteilt ließ sich N24 einiges einfallen: "Versucht Fischer seine Versäumnisse zu bagatellisieren?", "Ist Fischer in seinem Amt überfordert?", "Nimmt Fischer die Visa-Affäre ernst genug?" oder "Ist die Atmosphäre im Ausschuss zu kollegial?", lauteten die Fragen.
Bei all diesen Fragen waren die Zuschauer zu mindestens 60 Prozent von der für Fischer negativen Antwort überzeugt. Eine vernichtendes Verhältnis ergab sich bei der Frage, ob Fischers Verdienste schwerer als seine Fehler wiegen. "Ja" votierten nur 19 Prozent, "Nein" 81. Einzig bei der Frage ob "Schröder weiter hundertprozentig zu Fischer stehen" wird, hielten sich die Antworten in etwa die Waage.
Ein etwas anderes Bild zeigte die Umfrage auf SPIEGEL ONLINE. Auf die Frage: "Wie schlägt sich Joschka Fischer vor dem Visa-Untersuchungsauschuss?" antwortete bis zum Nachmittag die Mehrheit, nämlich 53,3 Prozent, Fischer wirke "sehr souverän". 36,4 Prozent befanden, er habe "offensichtlich Mühe, seine Position zu verteidigen". Es nahmen rund 15.000 User teil.
Auch die SPIEGEL-ONLINE-Umfrage ist nicht repräsentativ. Doch sie reicht schon eher an die aktuellen offiziellen Umfragewerte heran. Zwar sind einer Forsa-Umfrage zufolge 80 Prozent der Bundesbürger davon überzeugt, dass das Ansehen Fischers durch die Visa-Affäre Schaden genommen hat. Einer TNS-Infratest-Umfrage im Auftrag des SPIEGEL vom Wochenende fand aber heraus, dass immerhin noch 54 Prozent der Befragten Fischer für den beliebtesten Politiker halten. Allerdings hatte der Grünen-Frontmann im Vergleich zu Januar 20 Prozentpunkte eingebüßt.
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