Wundermittel für WM-Stars
08.01.2006 Ausgabe 02/06 Die Story klingt irre. Neosino hat ein Patent für ein Verfahren, daß angeblich gegen eine Vielzahl von Krankheiten helfen soll. Die Aktie legte einen fulminanten Start hin. Da ist sogar der sonst so nüchterne Roy Makaay begeistert. ?Ich hatte einen Muskelfaserriß. Normalerweise dauert es rund vier Wochen, bis man wieder fit ist. Unser Mannschaftsarzt gab mir ein Produkt von Neosino. Nach zwei Wochen konnte ich wieder spielen?, so der Bayern-Stürmer gegenüber EURO am Sonntag. Die Story ist irgendwie irre. Die Griesheimer Nanotech-Firma Neosino will durch ein spezielles Zerkleinerungsverfahren ein Mittel entwickelt haben, das nicht nur zur Heilung von Sportverletzungen, sondern auch gegen Krankheiten wie Schuppenflechte, Osteoporose, Rheuma, offene Wunden, Verbrennungen und Neurodermitis eingesetzt werden kann. Das neue Wundermittel soll sogar das ultimative Heilmittel gegen Krebs werden. Das klingt so phantastisch, daß sich die Händler auf dem Frankfurter Börsenparkett an die Zeiten des Neuen Markts erinnert fühlen. Kein Wunder, denn Neosino-Chef und Großaktionär Edmund Krix ist ein alter Bekannter. Seine Neue-Markt-Firma Teleplan, ein Reparatur-Dienstleister für Computerbildschirme und Drucker, war auf dem Höhepunkt des Hypes 1,3 Milliarden Euro wert. Die Talfahrt am Neuen Markt ging auch an Teleplan nicht spurlos vorbei. Die anschließende Erholung schon. Krix hatte sich 2001 bei Teleplan verabschiedet. Das Börsendebüt erinnert an alte Zeiten. Hierbei handelte es sich um ein sogenanntes Concept-IPO: Umsätze bei dem Unternehmen sind kaum vorhanden, dafür aber hochfliegende Pläne. Anlegern reichte das offenbar schon wieder, um sich wie wild auf die Aktie zu stürzen. Kurz vor dem Börsengang hatte die VEM-Aktienbank 50000 Aktien zu 55,55 bei privaten Investoren plaziert. Die Erstnotiz am Mittwoch lag mit 94,99 Euro bereits um etwa 70 Prozent höher. Bis Freitag stieg das Papier auf 128 Euro.
Wahnsinn oder Wirklichkeit? Was also ist dran an dem neuen Wundermittel? Tatsache ist: Die Hessen setzen vor allem auf natürliche Mineralien wie Silizium, Calcium und Magnesium. ?Diese Mineralien befinden sich fast alle auch in normaler Heilerde, allerdings sind unsere Mineralien vom Körper viel besser aufzunehmen?, erklärt Krix. Der entscheidende Kniff ist demnach ein spezielles Mahlwerk, das die Mineralien auf eine Größe von drei bis zehn Nanometer zerkleinert. Das ist so klein, daß man ein menschliches Haar etwa 10000mal spalten müßte, um in diese Größenordnung vorzustoßen. Durch die geringe Größe sollen die wichtigen Spurenelemente direkt zu den Zellen im Körper gelangen ? und dort ihre heilsame Wirkung entfalten. Neben Roy Makaay vertrauen auch andere Bayern-Profis und Nationalspieler den neuen Wundermitteln. Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt wiederum berät die Griesheimer Firma. Damit die Produkte möglichst schnell möglichst vielen bekannt werden, wird auch die Werbetrommel gerührt. Noch in diesem Monat sollen die Produkte durch einen Werbespot mit Roy Makaay der breiten Öffentlichkeit vorgeführt werden. Auch Hobbysportler sollen auf Neosino setzen. Eine Partnerschaft mit dem Deutschen Sportbund (DSB) ist bereits besiegelt. Auf den Verpackungen der Produkte ?Spray-Active? und ?Nano-Liquid? prangt der Aufdruck ?Empfohlen ? Deutscher Sportbund?. An 26000 Vereine wurden Informationsmaterial verschickt und ihnen wurden günstige Preise in Aussicht gestellt. Dem DSB brachte dies aber nicht nur Einnahmen, sondern auch Kritik von Experten ein. Wolfgang Becker-Brüser, Geschäftsführer des Instituts für Arzneimittelinformation, bemängelt, daß der Sportbund seinen Mitgliedern ein Produkt empfehle, ?obwohl die Wirksamkeit noch nicht nachgewiesen werden konnte?. Doch solche Einwände läßt Krix nicht gelten. Er kontert, Becker-Brüser habe sich bei Neosino noch nie erkundigt. Ohnehin verfolgt der Großaktionär ganz andere Ziele. Er will seine Mittel auch zur Krebsbekämpfung einsetzen. ?Ich glaube, daß unsere Produkte das können?, erklärt Krix. Das Therapie-Prinzip: Die Nanomineralien werden direkt zu den erkrankten Zellen gebracht. Durch das Silizium werde Sauerstoff und Wasser transportiert. Da Krebs normalerweise nur in sehr sauerstoffarmem Gewebe wachse, könnten die Tumore auf diese Weise viel besser bekämpft werden.
Um die Produkte später besser vermarkten zu können, werden laut Krix auch Gespräche mit deutschen Pharma-Unternehmen geführt. In den Verhandlungen dürfte auch der wahre Grund für den schnellen Börsengang liegen. ?Als börsennotiertes Unternehmen hat man bei den Verhandlungen eine bessere Position?, erklärt Krix. Allerdings wird es noch Jahre dauern, bis das erste Krebsmedikament auf den Markt kommt. ?Derzeit erstellen wir Studien, bei denen sich 500 krebskranke Patienten für Testzwecke zur Verfügung stellen?, sagt Krix. Bis endgültige Testergebnisse vorliegen, will Neosino mit Mitteln gegen Schuppenflechte und Neurodermitis den bisherigen Mini-Umsatz von 347000 Euro im ersten Halbjahr nach oben schrauben. Als erstes soll ein Wundheilspray auf den Markt gebracht werden. Eine Zulassung wird noch für das zweite Quartal erwartet. ?Bei fünf Millionen Menschen in Deutschland, die an Neurodermitis leiden, müßte sich nur ein Prozent für unser cortisonfreies Präparat entscheiden und wir würden einen Umsatz von rund 50 Millionen Euro erzielen?, rechnet Krix vor. Zu der schier unglaublichen Story paßt auch, wie die Forscher auf die mögliche Wirksamkeit des Verfahrens gekommen sind. Da Schiffe im Wasser gewöhnlich schnell veralgen und Schwermetalle zur Verhinderung dieses Prozesses nicht mehr eingesetzt werden dürften, forschten Experten nach neuen Lacken. Ein Team versuchte deshalb mittels der Nanotechnologie, extrem glatte Farben zu entwickeln. Als eine Angestellte, die unter Neurodermitis litt, Abend für Abend die Farbtöpfe ausspülte, bemerkte sie eine ständige Verbesserung ihrer Hautprobleme. Der Forscher war sich gar nicht im Klaren, wie klein er die Teilchen gemahlen hatte. ?Von den großen Unternehmen glaubt uns bis heute niemand, daß wir die Mineralien auf drei Nanometer zerkleinern können, ohne daß sie verklumpen?, erklärt Krix. Deshalb lassen die Hessen auch niemanden in ihre Produktionshallen herein. ?Wir sagen auch keinem, wo sie überhaupt stehen?, erklärt der Neosino-Chef. «
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