Spekulieren ist experimentieren mit dem Zufall |
01.06.2003: Strategien Der Zufall Ist die Börse eine Spielbank? Kann man "zufällig" besser als der Markt oder besser als Aktienfonds abschneiden? Eine Horrorvorstellung für jeden Spekulanten. In keiner Welt wird der Zufall so stark negiert wie in der der Anlageberatern, Analysten und Spezifikationen von Finanzprodukten. Das wichtigste Argument: "... nicht zufallig ... nicht dem Zufall überlassen ... usw.". Der Mensch an sich will die Zukunft berechenbar haben. Schon Albert Einstein sagte: "Gott würfelt nicht ..." und hatte unrecht. Mit unserer heutigen Erkenntnis könnte man sich fragen, "ob der Zufall Gott ist"? Schon 1732 stellte Johann H. Zedler fest: "Zufälle sind die Umstände des ausserordentlichen Glücks, oder daraus das ausserordentliche Glück bestehet, welches nichts anderes ist, als eine Connexion natürlicher Umstände, die nicht von unserem Willen abhängen, mit dem Fortgange unserer Thaten, zu deren Verlauf sie unseren Absichten, entweder gemäß, oder zuwider, etwas beytragen. Diese Umstände sind uns entweder von Anfange unserer Unternehmungen bekannt, daß wir uns danach richten können; oder sie ereignen sich wider Wissen, oder Vermuthen, welche letztere man Glücks - und Unglücksfälle oder unversehene Zufälle, ( CASUS FORTUITOS ) nennet. Beyde, nehmlich sowohl die vorherbekannten als unversehenen, entstehen entweder blos aus dem gemeinen Lauffe der Natur; oder sie werden, ob sie gleich natürlich sind, dennoch von Gott, als dem Erhalter der Natur durch seine besondere Vorsehung zu besonderen uns offtmahls ...." Liegt die Zukunft in der Vergangenheit? Wie läuft die Konjunktur nächstes Jahr? Werden die deutschen Finanzinstitute ihre Probleme meistern? Steigert Siemens seinen Gewinn? Breitet sich der Terrorismus aus und es kommen neue Kriege? Fragen über Fragen. Diese und noch mehr sind wichtig für die Börse. An der Börse wird auf die Zukunft gewettet! Wirtschaftsforschungsinstitute wollen errechnen wie die Konjunktur sich entwickelt. Ihre Ergebnisse: sie liegen grob richtig wenn sich die aktuelle Tendenz fortsetzt - die Richtungsumkehr verpassen sie regelmäßig. Firmen wissen manchmal, Wochen nach Quartalsende, wie das vorherige Quartal gelaufen ist und sind überrascht. Findet der nächste Krieg gegen den Iran, Korea oder ein anderes Land statt. Die potentiellen kriegführenden Parteien werden es heute noch nicht wissen. Der Börsianer will jedoch die Zukunft beherrschen. Dazu betrachtet er die Vergangenheit und verlängert sie in Zukunft (mit technischen, fundamentalen oder sonstigen abtrusen Methoden). Ganz nah an der Zukunft ist die aktuelle Nachrichtenlage. Dazu sagte André Kostolany: "Im Allgemeinen sorgen Neuigkeiten nicht für neue Kurse, sondern die Kurse sorgen für Gesprächsstoff ...." Die Random-Walk-Theorie Die Theorie effizienter Kapitalmärkte geht davon aus, dass Aktienkurse um den "richtigen" Preis schwanken. Bei Markteffizienz im strengen Sinne entsprechen die Kurse immer den inneren Werten. Kursveränderungen treten nur dann ein, wenn es neue kursbeeinflussende Informationen gibt. Danach haben nur künftige Informationen Einfluss auf die Kurse. Zukünftige Informationen können gute oder schlechte Nachrichten bringen, der Neuigkeitswert entscheidet. Es läßt sich also keine Kursvorhersage treffen, da unbekannt ist, wie diese Nachrichten auf die Kurse wirken werden. Also folgen die Kurse einem Zufallspfad (Random Walk). Daraus folgt, dass Börsenkurse nach dem Zufallsprinzip entstehen und daher nicht aufgrund von Beobachtungen vergangener Zeiten vorhergesagt werden können. Die Zukunft ist zufällig! "Wirtschafts- und Börsenprognosen haben drei gefährliche Feinde: Statistik, Bilanzen und theoretische Postulate", stellte schon André Kostolany fest. Zahlreiche Tests konnten keine Beweise für oder gegen diese These erbringen. Die Anhänger der Fundamentalanalyse lehnen natürlich diese These vehement ab - auch wenn sie nicht erklären können, weshalb Kurse sich wesentlich stärker bewegen als fundamentale Informationen dies rechtfertigen würden. Die Chartisten - oft einer Sekte nicht unähnlich - stöbern in der Vergangenheit von Aktien herum, studieren ihre Preisbewegungen und das Volumen und suchen nach Hinweisen, in welche Richtung sich der Kurs bewegen könnte. Sie sind der Überzeugung, dass der Aktienmarkt nur zu 10% von der Logik, zu 90% jedoch von der Psychologie regiert wird. Trotz ihrer fleißigen Suche nach den "Fußspuren im Sand" (Adam Smith über derartige Prognosen) können sie nicht erahnen wie die mentale Gemengenlage morgen sein wird. Diese Erkenntnisse respektive Thesen (effiziente Märkte - Random Walk) brachten die Indexler hervor. Sie sind der Überzeugung, dass es unmöglich ist den Markt zu schlagen. Sie versuchen deshalb über den Kauf von Indizes den Markt nachzubilden. Liegt die Zukunft im Glück? "Bis jetzt ist noch kein wissentschaftlicher Beweis dafür erbracht worden, dass die Gesamtperformanve professionell verwalteter Portefeuilles besser gewesen wäre als das Ertragsergebnis willkürlich ausgewählter Portefeuilles" (Burton G. Malkiel - Princeton University). Was er von Börsenanalysten halte, die aus den Kursen der Vergangenheit auf die Zukunft schließen wollen, antwortete Walter Krämer von der Universität Dortmund: "Das ist Kaffeesatzleserei. Im Prinzip ist es Wurst, welche Aktien Sie kaufen. Es gibt da den Dart-Index: Werfen Sie sechs Wurfpfeile auf eine Ausgabe des Handelsblatt und kaufen Sie die getroffenen Aktien. Die meisten Börsenberater werden keinen besseren Tipp geben können". Der demokratische Senator Thomas McIntyre demonstrierte das Motto "Dummheit schlägt Mittelmaß". Im US-Senat diskutierten die Senatoren im Ausschuss für Börsen und Banken über die Wertpapiergesetzgebung. Der Senator heftete ein Exemplar des Wall Street Journal an die Wand und zielte mit einigen Wurfpfeilen. Die zufällig getroffenen US-Aktien wurden notiert. Ergenis: Das "Dart-Depot" erzielte bessere Ergebnisse als alle Investmentfonds. In den USA siegten Dartwerfer gegen professionelle Gedmanager. Den Profis gelang ein Plus von 12%, die Dartwerfer kamen auf +38% - sie hatten einen Glückstreffer mit 174%. André Kostolany schrieb dazu: "Durch Zufall kann man oft die glücklichsten Dummheiten begehen." Eine stockholmer Zeitung übergab an fünf erfahrene Börsenprofis je 10000 Kronen zur Spekulation. Sie wählten die Aktien mit großer Sorgfalt aus. Um den Reiz zu erhöhen, holte man als weiteren Mitstreiter den Schimpansen Ola dazu. Der traf seine Auswahl schnell und mit Dartpfeilen und siegte durch einen Volltreffer. Kaderli berichtet vom Portefeuille "Monkey Business" des Forbes Magazin. Es wies damals eine Kurszunahme von 70% aus. Der Dow Jones (DJIA) erreichte in der gleichen Zeitspanne +15%. Beim Wall Street Journal tritt immer wieder ein Affe erfolgreich gegen erfahrene Fondsmanager an. Die Zeitschrift Forbes stellet 1967 ein Dart-Portfolio aus 21 Aktien zusammen. Nach 17 Jahren wurde der Test abgeschlossen. Das Dart-Depot war 370% besser als der Marktdurchschnitt und weit erfolgreicher als jeder Portfoliomanager. Dazu Malkiel: "Die Vorhersage von Finanzdaten scheint eine Wissenschft zu sein, die die Astrologie respektabel aussehen lässt". Seit 16 Monaten läuft das Experiment DAX-Lotto. baer45 war das Werfen mit Dartpfeilen zu gefährlich und die Haltung eines Schimpansen zu teuer. Er läßt sich deshalb den Zufall durch die Samstagsziehung von Lotto liefern. Bis zum heutigen Tage (01.06.03) entwickelte sich das DAX-Lotto-Depot um 9% besser als der DAX. Es gibt keine reinen DAX-orientierten Fonds die mithalten könnten. Die überwiegende Mehrzahl dieser Fonds ist nicht einmal in der Lage den DAX zu schlagen. Die Vorteile / Nachteile des Zufalls Er läßt sich nicht durch Nachrichten, Sympathien respektive Antipathien, Geschäftsberichte, Charts usw. korrumpieren. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass man außerhalb der Hauptströmung schwimmt. Ein wichtiger Aspekt um zu den Siegern zu gehören. Auch hat er ein Auge auf aktuell gemiedene Werte und ist deshalb in der Lage sein Glück herauszufordern. Dabei ist diese Anlagestrategie diejenige mit dem geringsten Arbeitsaufwand. Es bleibt mehr Zeit das Leben zu genießen! Keine Vorteile ohne Nachteile. Es braucht den unbändigen Mut diesen Weg zu gehen. Man wird sich an keinen Analysen - so wie der Besoffene am Laternenmasten - festhalten können. Auch wird es nie möglich sein einen pseudowissentschaftlichen Beweis, auf Basis von statistischen Rückrechnungen, zu liefern. Das Volumen an Möglichkeiten ist zu groß und daher nicht berechenbar - so wie die Zukunft! |