Der westliche Lebensstil bringt uns alle ins Grab, sagt ein Züricher Medizin-Professor: Wir essen, trinken, rauchen zu viel, bewegen uns zu wenig - und die Zahl der Krebserkrankungen steigt und steigt.
Der westliche Lebensstil ist nach Ansicht von Experten bislang als Risikofaktor für Krebs unterschätzt worden. Neben Rauchen und übermäßigem Alkoholgenuss sind eine zu kalorienreiche Ernährung und zu wenig Bewegung die Hauptursachen für die Erkrankung, an der jedes Jahr weltweit fast sieben Millionen Menschen sterben, sagte der Mediziner Paul Kleihues von der Uni Zürich bei einer Tagung zur Krebsforschung auf der Wartburg bei Eisenach.
Jährlich erkranken etwa elf Millionen Menschen an einem Tumor, und diese Zahl wird sich laut Kleihues in den nächsten 20 Jahren noch um "mindestens 50 Prozent erhöhen". Das sei zum einen bedingt durch die Zunahme der Lebenserwartung, zum anderen aber auch durch vermehrte Krebsrisiken, die mit einer Übernahme des westlichen Lebensstils in den Entwicklungsländern einhergingen.
Rauchen und Trinken unterschätzt Immer noch würden die Auswirkungen des Rauchens und Trinkens auf die Krebserkrankung sträflich unterschätzt, betonte der Experte. Raucher reduzierten ihre Lebenserwartung um sieben bis acht Jahre - ganz davon abgesehen, dass sie auch ihre Mitmenschen gefährdeten, die zum Passivrauchen gezwungen seien.
"Rauchen ist die wichtigste vermeidbare Krebsursache. Die Befunde sind so eindeutig, das gesetzliche Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Mitmenschen zu schützen", sagte der Professor. Ein Rauchverbot erzeuge ein Klima, in dem das Rauchen sozial inakzeptabel gemacht werde. Länder, in denen das Rauchen in öffentlichen Räumen verboten worden sei, berichteten über eine signifikante Abnahme des Lungenkrebses.
Brustkrebs in Entwicklungsländern nahezu unbekannt Brustkrebs, Prostata-, Nieren-, Darm- und Hodenkrebs haben laut Kleihues alle ihren Ursprung im westlichen Lebensstil: "Sie sind der Preis, den wir für unseren Wohlstand zahlen." Brustkrebs etwa sei in den Entwicklungsländern nahezu unbekannt. "Es ist der Krebs der reichen Länder." Frauen, die in jungen Jahren viele Kinder geboren hätten, würden kaum an Brustkrebs erkranken.
Auch der Zeitpunkt der ersten Menstruation könne Einfluss auf die Möglichkeit haben, an Brustkrebs erkranken. Vor 100 Jahren habe ein Mädchen in Europa die erste Regelblutung mit etwa 17 Jahren gehabt; heute treffe dieses Ereignis im Durchschnitt mit elf, zwölf Jahren ein, erklärte Kleihues und wies auch auf weitere Veränderungen hin. Niederländer seien heute im Durchschnitt 18 Zentimeter länger als zu den Zeiten des Malers Vincent van Goghs. Die Franzosen, die die Bastille gestürmt hätten, seien so groß gewesen wie heute 14-Jährige.
"Kinder werden gemästet" Kleihues hält es indes für unrealistisch, den Lebensstil auf den jener Zeit zurückzuschrauben, in der es kaum Krebserkrankungen gab. "Unsere Nahrung ist so gut wie nie zu vor. Wir essen nur zu viel davon!", sagte er. Heute würden die Kinder mitunter gemästet. 30 Prozent der Kinder in den USA seien übergewichtig. Dabei gehe es vor allem um die gestörte Energiebilanz: "Wir nehmen mehr Energie auf, als wir abgeben." Kleihues verwies aber auch auf die großen Fortschritte, die in der Prävention, Diagnose und Therapie des Krebses vor allem in den USA und Europa zu verzeichnen sind.
Seine zehn Ratschläge zur Vermeidung von Krebs: "1. Nicht rauchen! 2. Nicht rauchen! 3. Nicht rauchen! 4. Vermeidung von Asbest und UV-Licht 5. Gesunde Diät, wenig Alkohol 6. Täglich mehrfach frisches Obst und Gemüse 7. Viel Bewegung, Vermeidung von Übergewicht 8. Entsprechende Impfungen, zum Beispiel Hepatitis B 9. Habe die richtigen Gene! 10. Viel Glück! . Jochen Wiesigel/AP, stern.de
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