Gefährlicher Schlaf der Aktionäre
Eine Aktie kaufen und dann Schlaftabletten nehmen, das ist bis heute eine der meist zitierten Börsenmythen. In der harten Realität des Börsenalltags taugt sie jedoch wenig, sagt Sanjay Oberoi. Der Fidelity-Fondsmanager erklärt, warum die Lebensdauer einer Aktie begrenzt ist.
Es klingt so verlockend: Einmal eine Aktie kaufen ? und dann reich werden. André Kostolany, der sich durch seine jahrzehntelange Kolumnentätigkeit bei "Capital" in die Herzen der deutschen Anleger geschrieben hat, prägte einst einen ziemlich fatalen Börsenmythos. "Anleger sollten Aktien kaufen, dann Schlaftabletten schlucken. Nach ein paar Jahren können sie sich über einen hübschen Gewinn freuen", erklärte der Ungar wieder und wieder.
Schwerwiegender noch: Auch Warren Buffett, immerhin der reichste Mann und erfolgreichste Anleger der Welt, prägte eine Börsenweisheit, die für Generationen von Anlegern zum regelrechten Mantra werden sollte. "Eine Aktie, die man nicht 10 Jahre zu halten bereit ist, sollte man auch nicht 10 Minuten besitzen".
Das Problem: Was für Buffett vielleicht auch für Kostolany funktioniert haben mag, geht für die Mehrzahl der Aktionäre oft schief. Kaufen und halten ist tatsächlich nicht immer der beste Weg zum Erfolg. Das lehrt etwa ein Blick auf viele Favoriten um die Jahrtausendwende. Erinnern Sie sich noch an den Hype um Nokia, Microsoft, die Deutschen Telekom oder Allianz ?
Das waren sowohl für Fondsmanager als auch Privatanleger einige der "Must-own-Kandidaten", also jene Papiere, die in keinem Depot fehlen durften. Heute jedoch, selbst nach einer fünfjährigen Hausse und neuen Allzeithochs in vielen Indizes, wünschten nicht wenige Anleger vermutlich, sie hätten "die Unfehlbaren" nie im Depot gehabt.
Zwar stehen die Unternehmen heute allesamt besser da als noch zu Beginn des Jahrzehnts ? die Allianz hat gerade erst den größten Jahresgewinn ihrer Geschichte gefeiert, Nokia und Microsoft eilen wie selbstverständlich vom Rekord zu Rekord. Aber die Papiere notieren aktuell mindestens 50 Prozent unter ihren Allzeithochs aus dem Frühjahr 2000 ? das Allianzpapier büßte sogar knapp 75 Prozent ein.
Lebenszyklus einer Aktie: Begrenzte Zeit, um zu glänzen
Aktien, so erfolgreich sie über Jahre hinweg auch sein mögen, sind offenbar nichts für die Ewigkeit. Zu diesem Ergebnis kommen auch Studien, in denen Fidelity die höchst bewerteten Unternehmen der letzten zwanzig Jahre untersucht hat: Keines der einstigen Top-Ten-Mitglieder zählt mehr zu den heutigen Schwergewichten. Machten Mitte der 80er noch die Deutsche Bank, die Allianz, Siemens, Daimler Benz und Royal Dutch noch die Crème de la Crème Europas aus, durften sich zwanzig Jahre später UBS, Roche, Nestlé, Novartis und Total zu den fünf höchst bewerteten Unternehmen des alten Kontinents zählen.
Börsenfavoriten ändern sich also genauso wie sich Anlegerpräferenzen ändern. Jede Branche ist einmal besonders in Mode. Standen in den späten 90er-Jahren etwa bevorzugt Technologiewerte im Vordergrund, schlug sich das auch entsprechend in der Marktkapitalisierung der Unternehmen nieder: Cisco löste Microsoft 2000 als wertvollstes Unternehmen ab, um später von Intel überrundet zu werden. Doch wo sind Cisco, Intel und Microsoft heute?
Offenbar hat jede Aktie ihre Zeit, um zu glänzen. Jede Aktie hat ihren Lebenszyklus. Das heißt nicht, dass das Unternehmen nach dem vermeintlichen Höhepunkt an den Aktienmärkten ein schlechteres ist. Es heißt jedoch, dass eine Aktie vom Markt anders beurteilt wird. Bevor das passiert, sollte man eine Position schon mal trimmen oder liquidieren.
Apple und Google: Crash der Kultpapiere
Als Folge dessen achte ich bei meiner Investmentstrategie sehr darauf, alle Fondspositionen regelmäßig neuen Markterkenntnissen anzupassen. Genauer: Sie im Idealfall dem Markt vorwegzunehmen. So sind meine gegenwärtig fünf größten - im Vergleich zu drei Monaten zuvor - heute auf vier Positionen von mir verändert worden. Sich auch einmal von einer Position zu trennen, wenn ein bestimmtes Kursziel erreicht oder ein bestimmtes Szenario eingetreten ist, zählt zu aktivem Fondsmanagement.
Warum es angemessen erscheint, auch eine noch so erfolgreiche Aktie nicht für die Ewigkeit zu halten, können Anleger in diesen Tagen bei zwei regelrechten Kultaktien verfolgen. Apple und Google waren in den letzten Jahren die glamourösesten Papiere, die die Börse seit dem Millenniumscrash gesehen hat. Doch ihr Kultstatus konnte sie 2008 nicht vor dem harten Absturz bewahren: Beide Papiere liegen gegenwärtig um 40 Prozent unter Vorjahresniveau - nach nur zweieinhalb Monaten im neuen Börsenjahr.
Zur Person: Der Fidelity-Fondsmanager Sanjay Oberoi ging aufgrund seiner Leistungen 2006 aus einer Studie des Finanzinformationsdienstes Thomson Extel als eine der Top-Ten-Persönlichkeiten der europäischen Fondsbranche hervor. Das internationale Finanzmagazin Institutional Investor kürte ihn zu einem der besten Analysten des Jahres 2007.
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/...8,542044,00.html
|