Wer sich in Gefahr begibt, kommt leicht darin um. 2500 Wissenschaftler aus aller Welt haben sich in den Dienst der Politik gestellt, um insbesondere den Industrieländern zu helfen, ihre verschwenderische Energiepolitik umzustellen. Das Wissen um die Endlichkeit der fossilen Brennstoffe, die unsere Wirtschaft am Laufen halten, hatte nicht genügt, um einen Sinneswandel herbeizuführen. Es musste ein zusätzliches Druckmittel her, um der Umstellung den nötigen Schub zu verleihen. Und gerade in demokratisch verfassten Ländern ist die Politik darauf angewiesen, dass der Schub von der Bevölkerung ausgeht.
So war der Anfang der neunziger Jahre eingeleitete Kyoto-Prozess, dessen Auswirkungen auf das Klima selbst von seinen Befürwortern nicht für wesentlich gehalten werden, weniger ein Umweltprogramm als ein Erziehungsprojekt. Die Weltöffentlichkeit sollte mit seiner Hilfe auf die Folgen ihres allzu sorglosen Umgangs mit endlichen Ressourcen aufmerksam und für politische Gegenmaßnahmen zugänglich gemacht werden. Angstszenarien statt differenzierter Erkenntnisse Für diesen guten Zweck haben sich viele Wissenschaftler, die seit langem mit Sorge die Auswirkungen ungebremsten Wirtschaftswachstums auf der Grundlage konventioneller Energieproduktion beobachten, von der Politik einspannen lassen, zumal sie dafür auch mit Forschungsgeldern überhäuft wurden. Manche wundern sich allerdings jetzt darüber, was die Politik aus ihrer Unterstützung macht. Schon die Tatsache, dass dem vierten IPCC-Bericht die ?Zusammenfassungen für Entscheider? vorausgehen, nicht ihm folgen, zeigt, in welchem Maß die Wissenschaft inzwischen instrumentalisiert wird. Gefragt sind nicht differenzierte Erkenntnisse, sondern Angstszenarien, mit denen die Bevölkerung für jede Maßnahme gefügig gemacht werden soll (Siehe auch: Hitzige Debatten, dramatischer Bericht). Was mit einfacher Umweltpolitik nie möglich war - etwa die Besteuerung des Flugbenzins -, rückt nun in greifbare Nähe. Klimapolitik unter Androhung apokalyptischer Strafen hat eine geradezu bunkerbrechende Durchschlagskraft. Das macht sie bei Politikern so beliebt. Die Wissenschaft aber hat sich in politischen Verhandlungen in einer Weise zur Magd gemacht, die ihre Wissenschaftlichkeit selbst untergräbt - denn die besteht immer noch darin, sich immer von neuem selbst in Frage zu stellen. Text: F.A.Z., 07.04.2007, Nr. 82 / Seite 1
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