Nachdenken sollte man meinen: das war doch zu erwarten.
Aber so ist es nicht: ich persönlich wollte das einfach nicht wahrhaben. Gründe:
Zum einen sind da die Eltern und Schwiegereltern, allesamt zwischen 75 und 81: habe sie noch nicht gesprochen, aber sie leben immer noch so, als wäre ihre Zeit unbegrenzt. Udo Jürgens hat (wieder einmal) gezeigt: jeder kann von heute auf morgen aus den Latschen kippen.
Zum anderen war er für mich der letzte lebende Vertreter der post-45-Beschaulichkeit: das war die Welt, in die ich geboren wurde. Eine Welt, in der man noch mit Anzug aus dem Haus gegangen ist, wo die Kriegstoten und ermordeten Juden nicht in die eigene Verantwortung gingen, sondern als "Opfer des Nationalsozialismus (=irgendwelche anderen, aber nicht wir)" bezeichnet wurden. Wo die Italiener schuld waren am verlorenen Krieg und alles richtig und korrekt war, was im Gesetz stand. Angefangen vom "Betreten des Rasens verboten" bis hin zu "das macht man nicht".
Damit ist der letzte Vertreter des eigenen Verlogenheit dahingegangen. Als ewiger "Schwiegermutters Liebling" konnte ihn natürlich nie ein Wässerchen trüben: alles war gut an ihm, also auch an uns.
Jetzt ist es an der Zeit, uns neu zu orientieren ,wer wir wirklich sind. Wer repräsentiert den neuen Deutschen?
Stefan Raab, Bushido oder doch eher Joko und Klaas?
Ich denke, eher letztere: sie sind die "Ich bin intellent und will trotzdem nur Spass" - Generation. Sie besäuft sich mit Zimt-Tequila und Jägermeister, weils deutsch ist, und hat von Udo Jürgens soviel Ahnung wie von ner Steuererklärung: "das ist nur für Blöde". Der Rest der Welt ist akzeptiert, solange er nicht nervt oder Arbeit macht und Krieg findet woanders statt.
Ich denke, der Tod von Udo ist ein Sinnbild: wir müssen unsere Illusionen begraben, die uns lieb und teuer sind, und der Realität endlich ins Auge sehen.
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