WSJ: Eisenerz-Joint-Venture von Rio Tinto und BHP in der Schwebe
THE WALL STREET JOURNAL
MELBOURNE (Dow Jones)--Offiziell steht der Bergbaukonzern Rio Tinto zwar weiterhin zu dem geplanten Eisenerz-Joint-Venture mit dem Wettbewerber BHP Billiton. Einige Manager hätten aber inzwischen Zweifel an dem Vorhaben, das im Juni 2009 angekündigt geworden war. Eine Ablehnung des Vorhabens durch die Wettbewerbsbehörden würde ihnen daher wohl keinen Kummer bereiten.
Denn nun, da die Preise für Eisenerz gestiegen seien, sei das Joint Venture für die Rio Tinto Ltd weniger attraktiv, führten Beobachter aus der australischen Bergbauindustrie an. Hingegen stünde BHP Billiton nun besser da. Früher im März hatte der Spot-Preis des Rohstoffs erstmals seit Juli 2008 die obere Widerstandsmarke von 140 USD je t nach oben durchbrochen.
Der in London ansässige Konzern steht öffentlich zu dem Vorhaben, das nach Angaben der beiden Beteiligten 10 Mrd USD Synergien bringen soll. Rio Tinto sei dem Joint Venture "sehr verpflichtet", sagte ein Unternehmenssprecher. Das Gemeinschaftsunternehmen sei ein "Win-Win" für beide Bergbaugesellschaften.
Ein hochrangiger Bergbau-Manager führte an, dass sich Rio-Tinto-CEO Tom Albanese keine weiteren Fehltritte erlauben könne. In seine Amtszeit fällt die Übernahme des Aluminiumherstellers Alcan - auf dem Höhepunkt des Zyklusses -, die Ablehnung der Kaufofferte der BHP Billiton Group sowie das Scheitern einer Milliardeninvestition durch die Aluminum Corp of China. Das chinesische Unternehmen wollte seine Beteiligung an Rio Tinto für 19,5 Mrd USD erhöhen.
Nachdem die Preise für Eisenerz in der Spot-Position sich binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt haben, erscheine die von BHP Billiton angebotene Ausgleichszahlung für das umfangreichere Eisenerzgeschäft des Wettbewerbers in West-Australien nun unzureichend. Für seinen Anteil von 50% an dem geplanten Joint Venture wollte der Wettbewerber 5,8 Mrd USD an Rio Tinto zahlen.
Ein Bergbau-Manager verwies darauf, dass Rio Tinto die Vereinbarung zu einer Zeit geschlossen habe, da sie vor einem durch die Übernahme von Alcan aufgetürmten Schuldenberg von 38,7 Mrd USD stand. Inzwischen habe sich ihre Lage verbessert, dank der Erholung der Preise, des Verkaufs von Vermögenswerten und einer Bezugsrechtsemission im Volumen von 15,2 Mrd USD. "Es ist ein erheblich anderes Bild."
BHP Billiton wollte sich nicht dazu äußern, welche Folgen der Anstieg der Eisenerzpreise auf ihre Ausgleichszahlung habe. Sie verwies aber darauf, dass das Abkommen Anpassungen der Zahlung vorsehe, abhängig von den Cashflows zwischen dem 1. Juli 2009 und dem Abschluss der Transaktion.
Rio Tinto werde nach den "Tumulten" in den vergangenen 18 Monaten nicht den Mumm haben, das Vorhaben abzublasen, hieß es in der Branche. Außerdem könne sie sich vor dem Hintergrund des Schuldenabbaus kaum leisten, eine Break-Fee von 275,5 Mio USD zu zahlen. Die größte Hürde stelle allerdings die Genehmigung durch die Europäische Kommission dar. Sie werde hart von der Stahl-Lobby bearbeitet, die nach einem Schulterschluss der beiden Konzerne im Bereich Eisenerz höhere Preise fürchteten.
Rio Tinto werde nicht enttäuscht sein, sollte die Kommission das Vorhaben ablehnen, meinte ein weiterer Analyst. Derzeit wird es weiter geprüft, und zwar unbefristet. Die australischen Kartellwächter wollen ihre Entscheidung Ende April verkünden. Hier wird allgemein eine Zustimmung erwartet, denn die Behörde hatte seinerzeit auch dem geplanten Übernahmegebot von BHP Billiton für Rio Tinto zugestimmt.
Eine Mitteilung der Australian Competition and Consumer Commission (ACCC) vom Donnerstag lässt allerdings Zweifeln aufkommen. Die ACCC werde prüfen, ob BHP Billiton und Rio Tinto in der Lage sein würden, das Angebot künstlich zu verknappen. Die Verhältnisse am Eisenerzmarkt hätten sich seit Ankündigung des Joint Ventures verändert, stellen auch die australischen Kartellwächter fest. Zudem habe der einzige wichtige Käufer von Eisenerz in Australien, die BlueScope Steel, öffentlich Bedenken geäußert.
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