Die Medienkanzlerin (spiegel.de)
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neuester Beitrag: 22.01.06 11:01
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eröffnet am: | 22.01.06 11:01 von: | Reila | Anzahl Beiträge: | 1 |
neuester Beitrag: | 22.01.06 11:01 von: | Reila | Leser gesamt: | 3886 |
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Von Nils Minkmar
Ihre Auftritte widersprechen allen Gesetzen des Medienzeitalters: Dennoch ist Angela Merkel beliebter, als es Gerhard Schröder und Helmut Kohl je waren. Ihr betont normaler Stil entspricht den reduzierten Erwartungen der Öffentlichkeit an die Politik.
Wie der Blitz schlug die Liebe zwischen Merkel und dem Publikum ein, acht Tage nach ihrem Amtsantritt. Den hatte sie noch gewohnt achselzuckend, leicht ungeduldig und mit herzlichem Willen zur Vergeudung der Gelegenheit für historische Worte absolviert. Erst am 1. Dezember änderte sich etwas, als der Premier von Singapur mit ihr die Ehrenformation abschreiten sollte, aber nicht vor der Fahne stehenblieb, sondern wie John Cleese einfach weiterschritt, in Richtung rechter äußerer Bildrand.
Zwielichtige Männer suchen ihren Kurs, Merkel bleibt bei der Sache
Der irrlaufende Anzugträger symbolisierte in diesem Moment die Absurdität, in die sich staatlicher Pomp verirren kann, und Merkels Blick, eine Mischung aus Entsetzen, Amüsement und einer Spur Erleichterung, nicht selbst die Protokollchaotin zu sein, war wie eine Botschaft aus der normalen Welt. Die Szene bildete den Auftakt einer Serie; auch die Begegnungen mit Chirac (der Handkuß), Bush ("Gleich darf ich Sie zum Essen ausführen") und Putin (ewige Monologe) waren mit ähnlicher Rollenverteilung angelegt: Zwielichtige Männer suchen ihren Kurs, Merkel bleibt bei der Sache, beziehungsweise, wie sie dem Reporter des "Sterns" anvertraute, "immer schön auf'm Teppich".
Das normale Image steht für sich. Es ist Zen in den Medien. Ihm entspricht kein substantieller Politikwechsel, denn die politischen Projekte, die Angela Merkel mal vertreten und wieder ad acta gelegt hat, sind zahlreicher als die, die sie derzeit ankündigt. Sie profitiert von einem Wandel in der Art, wie über Politik berichtet wird, welchen Stellenwert die Zuschauer der Politik in ihrem Leben einräumen. Das hat natürlich mit dem Überdruß an den heroischen Einlagen von Schröder und Fischer zu tun.
B esseres Augenmaß für die Dimensionen der Politik
Auch wer ihre Politik in Grundsätzen schätzte, war es irgendwann müde, sich permanent mit Schilderungen ihrer Großtaten und Gemütsregungen beschäftigen zu müssen. Diese endlosen Stories über die Einsamkeit der Herrschenden, der Blick von ganz oben in die Apokalypse, die Kraft des Aufsteigers, die zweite Luft des Langstreckenläufers, was sie gerade tranken, aßen oder trugen - die Berichte über die rot-grüne Zeit verschwimmen und schnurren am Ende auf eine Franz-Josef-Wagner-Kolumne zusammen, einen Lückentext um die Worte Deutschland, Männer, Nacht.
Solche Stories haben für Journalisten immensen Reiz, denn wer so ganz nah dran ist, wenn Geschichte gemacht wird, so auf Tuchfühlung mit den von der Finsternis der Macht umspielten Staatsmännern, fühlt sich dem Weltgeist näher. Für Leser und Zuschauer kann das fatale Folgen haben. Die Vorliebe der "New York Times"-Reporterin für die auratischen Männer um den amerikanischen Vizepräsidenten Cheney unterminierte ihre Kritikfähigkeit, als es um die Massenvernichtungswaffen des Irak ging. Die Möglichkeit, Entstehung und Implementierung der Agenda 2010 ganz nah mitzuverfolgen, hat manche Kollegen so fasziniert, daß sie gar nicht auf den Gedanken gekommen sind, daß auch die belächelten Montagsdemonstrierer gegen Hartz IV im Recht sein könnten.
Die Öffentlichkeit hat in den vergangenen Jahren ein besseres Augenmaß für die Dimensionen nationaler Politik gewonnen als viele Journalisten. John F. Kennedy, Willy Brandt, zuletzt vielleicht noch Helmut Kohl und François Mitterrand konnten ihre Wirkung - eine komplexe Mischung von Charisma und Chuzpe - nur vor dem Hintergrund einer politischen und militärischen Teilung der Welt entfachen, an der sich auch die Ökonomie zu orientieren hatte. Die Medien schillerten mit.
Merkel ist eine wie alle
Aber das Publikum ist der Wiederholungen und Neuinszenierungen der politischen Sternstunden überdrüssig. Wenn deutsche Offiziere in einem Awacs-Flugzeug mitfliegen, dann will es nicht mehr "Deutschland im Krieg!" dazu lesen. Der Einfluß eines Ministers auf Konjunktur und Wachstum wird nüchtern eher gering eingeschätzt; selbst wenn Michael Glos Zigarren rauchte, es wird nie mehr wie unter Ludwig Erhard. Und noch der härteste Innenminister kann nicht garantieren, daß nicht Irrläufer Bomben in öffentlichen Verkehrsmitteln zünden oder die Fußballnationalmannschaft verliert. Politik ist ein Thema unter vielen. Merkel ist eine wie alle.
Merkel und die Medien - das ist kein Strohfeuer. Zahllos sind die Journalisten, die sich in ihrer Freizeit mit östlicher Weisheit, Yoga und Zen beschäftigen. Wie könnte dem, der Gelassenheit sucht, Angela Merkels Gespür für die Proportionen der Dinge im Leben verborgen bleiben?
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