Das Kapital: Alan Greenspans verbrämte Diplomatie Wenn es ernst wird, neigen altgediente Staatsmänner zu verbrämter Diplomatie. Sie "warnen" vor "Risiken", lassen aber höchstens einen Teil ihrer tatsächlichen Sorgen durchschimmern, schon um der aktuellen Tagespolitik nicht in die Parade zu fahren.
In diesem Licht ist auch die Warnung Alan Greenspans vor einer US-Rezession zum Ende des Jahres zu sehen, die er mit einer Wahrscheinlichkeit von einem Drittel wähnt. Es ist davon auszugehen, dass er tatsächlich fest mit einer Rezession rechnet. Warum sonst hätte er die ganze Aufregung heraufbeschwören sollen? Denn glaubte er wirklich an die angegebene Wahrscheinlichkeit, stünden die Chancen zwei zu eins, in einem Jahr ziemlich alt auszusehen - auch im übertragenen Sinne.
Und tatsächlich bedarf es nur noch des einen oder anderen negativen Arbeitsmarktberichts, um das Rezessionsszenario zu komplettieren - wobei der Index der je Woche geleisteten Arbeitsstunden in den ersten beiden Monaten 2007 ohnehin jeweils gesunken ist. Denn wenn man vom Arbeitsmarkt, der soliden (nominalen) Einkommensentwicklung, dem schwachen Dollar, der guten Verfassung der Weltwirtschaft und den daher brummenden Exporten absieht, mutet das Bild der US-Wirtschaft bereits ziemlich düster an.
Wirtschaftliche Gemengelage
Legt man, wie im Folgenden bei Monatsreihen immer, den gleitenden Dreimonatsdurchschnitt an, liegen die Baugenehmigungen um 27 Prozent unter dem Vorjahr. Die Sechsmonatsveränderungsrate der nominalen Einzelhandelsumsätze bewegt sich seit Oktober um ein Prozent, wobei das Konsumvertrauen seither per saldo gefallen ist. Der ISM-Dienstleistungsindex notiert seit Sommer 2006 unterhalb seines Durchschnitts seit Ersterhebung, bei nachgebender Tendenz.
Die Gebrauchsgüteraufträge stagnieren per saldo seit Ende 2005. Die ohne Flugzeuge und Rüstung ermittelten Kapitalgüteraufträge, die als Indikator für die Investitionen gelten - also auch für Wachstum und Beschäftigung -, sind auf den Stand von März 2006 zurückgefallen. Bemerkenswert ist, dass der Umsatz im verarbeitenden Gewerbe zuletzt um 0,1 Prozent unter dem Vorjahr lag, obwohl die nominalen Güterexporte um 13 Prozent zulegten.
Dabei sind die Ausrüstungsinvestitionen der Firmen bereits im vierten Quartal mit einer Jahresrate von 4,8 Prozent gesunken; dass der Vorsteuergewinn der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften laut volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung im Weihnachtsquartal mit einer Jahresrate von 24 Prozent gefallen ist, dürfte die Investitionsneigung der Firmen nicht eben erhöhen; übrigens ist selbst der ausgewiesene Gewinn im S&P 500 vom dritten auf das vierte Quartal gesunken, ohne dass es an den Märkten jemandem aufgefallen wäre. Wer sich damit tröstet, dass der reale US-Konsum im vierten Quartal mit einer Jahresrate von 4,2 Prozent gestiegen ist, sollte wenigstens wissen, dass es nominal nur 3,3 Prozent waren.
Dass das klassische Rezessionssignal, das die Differenz zwischen lang- und kurzfristigen US-Zinsen seit rund einem Dreivierteljahr in zunehmendem Maße aussendet, also vielleicht doch kein falscher Alarm ist, bleibt unterdessen aus zwei Gründen zu befürchten.
Warnzeichen
Erstens ist es nicht einzusehen, warum die Anleger in großem Stil das Wagnis zehnjähriger Anleihen mit einer Rendite von 4,6 Prozent eingehen, wenn sie am Geldmarkt nachhaltig 5,25 Prozent erwarten. Zweitens knausern die Banken wegen steigender Ausfallrisiken nun mit Krediten, auf die vor allem die Verbraucher angewiesen sind, die über die vergangenen vier Jahre im Mittel zusätzliche Schulden von 1100 Mrd. $ angehäuft haben.
Dass die Hauspreise fallen, erhöht den Leidensdruck dabei doppelt, da die Vermögenspreisinflation den Privaten nun auch das Sparen nicht mehr abnimmt. Angesichts fallender Margen liegt zudem am Aktienmarkt, dessen Kapitalisierung im Verhältnis zum BIP um die Hälfte über dem Nachkriegsdurchschnitt liegt, was in der Luft. Und real steigt auch die Lohnsumme bloß um zwei Prozent zum Vorjahr.
Während weit vorlaufende Wegweiser wie die monetären Bedingungen etwas Hoffnung geben und es Hinweise auf anziehende Frachtvolumen gibt (die die Stärke des ansonsten recht unplausiblen Chicago-PMI im März stützen), muten auch gängige Frühindikatoren wie jene von OECD und Conference Board trübe an. Dazu kommt der wegen geopolitischer Spannungen steigende Ölpreis. Das Schlimmste indes bleibt, dass die Mittel der Geldpolitik begrenzt sind, da die Realzinsen ohnehin niedrig sind. Nicht mal die frohgemuten Aktienmärkte sind ein rechter Trost. Denn als Antizipationsmechanismus taugen sie nur bedingt: So touchierte der S&P 500 noch im September 2000 seine Höchststände. Da hatte die Sechsmonatsveränderungsrate des OECD-Indikators schon ins Minus gedreht.
Quelle: Financial Times Deutschland Servus, J.B. "The superior man is slow in his words and earnest in his conduct." (Confucius)
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