HINTERGRUND: Zahltag in Athen - Die Rechnung der Spekulanten geht auf Bewerten (0)
ATHEN (dpa-AFX) - Unglaublich aber wahr: Griechenland steht am Abgrund, doch Athen zahlt hunderte Millionen Euro an internationale Investoren aus. Ausgerechnet Spekulanten, die zu Schnäppchenpreisen gekauft haben, profitieren. Im Zentrum Athens scheint von den europäischen Hilfsmilliarden kein Cent angekommen zu sein: Die Geschäfte sind geschlossen, Obdachlose schlafen vor bröckelnden Hausfassaden auf den Straßen. Doch um Hedgefonds auszuzahlen, hat Griechenland offenbar noch Mittel über. Dabei hält sich der Krisenstaat nur durch Rettungsgelder seiner Euro-Partner über Wasser. Wie kann das angehen?
Als stecke das regierungslose Euroland dieser Tage nicht schon tief genug im Schlamassel, muss in Athen schon wieder entschieden werden, ob man sich für zahlungsunfähig erklärt. Am heutigen Dienstag stehen 435 Millionen Euro zur Rückzahlung an internationale Anleihe-Gläubiger an. In der vergangenen Woche sind bereits fällige Zinsen an die Halter eines 20 Milliarden Yen (192 Millionen Euro) schweren griechischen Staatspapiers geflossen. Hatten Griechenlands private Gläubiger ihre Anleihen nicht erst vor rund zwei Monaten in niedriger verzinste neue tauschen müssen, die erst ab September bedient werden?
Im Prinzip schon, aber nicht alle: Die Wertpapiere, um die es nun geht, unterliegen ausländischem Recht. Sie sind vom Forderungsverzicht, mit dem Athen seinen Schuldenberg auf einen Schlag um knapp 107 Milliarden Euro abgebaut hat, nicht betroffen. Bei den meisten Anleihen hatte Griechenland leichtes Spiel und konnte die Investoren mit Umschuldungsklauseln zur Teilnahme am Schuldenschnitt zwingen. Bei den internationalen Titeln nicht.
Hedgefonds und andere Spekulanten hatten davon schnell Wind bekommen und regelrecht Jagd auf die entsprechenden Papiere gemacht. Mit Erfolg: Anleihen im Wert von insgesamt etwa 6,5 Milliarden Euro befinden sich in den Händen widerspenstiger Anleger, die sich nicht zum Forderungsverzicht drängen ließen. Und für die ist nun Zahltag. Wie wird Athen reagieren?
Bis vor kurzem gab man sich noch knallhart: Für die Auszahlung sei kein Geld da, betonte die Regierung stoisch. Mittlerweile hat sich die Lage aber verändert: Nach den Wahlen droht das Land im politischen Chaos zu versinken. Eine handlungsfähige Regierung gibt es nicht. Dennoch dürften Spekulanten bei der fälligen Anleihe, die britischem Recht unterliegt, erfolgreich sein. Das berichtet jedenfalls die staatliche Nachrichtenagentur ANA.
Ein Zahlungsboykott wäre auch sehr riskant: Denn sollte sich Griechenland weigern, ist Rechtsstreit programmiert, vor internationalen Gerichten und mit Profis, die sich auf eben diese Fälle spezialisiert haben. Würden die Anleihe-Schulden nicht bezahlt, hätte der griechische Staat noch 30 Tage, bis weitere Konsequenzen folgen. Letztlich dürften hinter den Entscheidungen aus Athen jedoch ohnehin die Geldgeber aus Brüssel und Frankfurt stehen. Und auch für die sind die Gefahren bei einem Zahlungsausfall hoch. Denn wenn nur eine Anleihe nicht rechtzeitig bedient wird, können theoretisch alle anderen auf einen Schlag fällig gestellt werden.
Zwar wären die im Rahmen des Schuldenschnitts neu aufgelegten Papiere von diesem, in der Fachsprache "Cross Default" genannten, Szenario nicht betroffen. Allerdings befinden sich auch Titel in den Händen öffentlicher Gläubiger, bei denen die Sachlage nicht abschließend geklärt ist.
Doch selbst wenn offizielle Institutionen wie die nationalen Notenbanken nichts zu befürchten hätten, steht noch etwas Wichtiges auf dem Spiel: Das durch den Schuldenschnitt bereits erschütterte Vertrauen in Staatsanleihen aus Euro-Krisenländern. Würden internationale Großanleger weiter vergrault - und ein Zahlungsstopp dürfte in diese Richtung wirken - bliebe außer der Europäischen Zentralbank und den von ihr mit Geld ausgerüsteten Banken der Problemstaaten überhaupt kein Käufer mehr für diese Papiere.
All das wissen die Spekulanten. Sie wähnen Griechenland und seine Partner deshalb am kürzeren Hebel. "Sie haben sich selbst in die Enge getrieben, es wird schwer, uns loszuwerden", zitiert die britische "Financial Times" einen Hedgefonds-Manager. "Nun werden sie die Zahlungen aufrechterhalten müssen." Diese Rechnung könnte wohl aufgehen. Für die gebeutelte griechische Bevölkerung wäre das ein weiterer Schlag ins Kontor. Auch bei den vielen privaten Gläubigern, die beim Schuldenschnitt mehr als 70 Prozent ihrer Forderungen abschreiben mussten, dürfte der Ärger groß sein./hbr/tt/bgf/zb --- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---
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