Das Ende der Sitze
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eröffnet am: | 03.01.06 16:53 von: | tocotronic5 | Anzahl Beiträge: | 1 |
neuester Beitrag: | 03.01.06 16:53 von: | tocotronic5 | Leser gesamt: | 1827 |
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http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,393303,00.html
NEW YORKS BÖRSE
Das Ende der Sitze
Von Marc Pitzke
An der New Yorker Börse bricht heute ein neues Zeitalter an. In Vorbereitung ihrer Fusion zum vollelektronischen Megahandelsplatz ist die NYSE ab sofort selbst eine Aktiengesellschaft. Damit sterben alte Traditionen und Rituale - und das elitäre Broker-Gehabe.
New York - Am letzten Handelstag des Jahres 2005 kippte die Stimmung an der Wall Street doch noch ins Sentimentale. Selbst die härtesten Broker hatten Tränen in den Augen. New Yorks Börsianer jubelten, grölten und pfiffen zwar wie immer zum Jahresende. Doch diesmal klang es wie das Pfeifen im Walde.
DPA
Die NYSE: Songs über die Hoffnung auf bessere Tage
Dann stellte jemand auch noch einen antiken, polierten Lehnstuhl aufs Börsenparkett, den die Wertpapierhändler ehrfürchtig befühlten. Andere blätterten in einem großen, schweren Buch mit blutrotem Einband herum. Ein paar sangen "Wait 'Til The Sun Shines, Nellie", einen alten Song über die Hoffnung auf bessere Tage.
Und schließlich, mit der Börsenglocke, die diesmal von fünf Mitgliedern des Vorstands höchstpersönlich geläutet wurde, war Schluss: Der letzte Handelstag 2005 an der New York Stock Exchange (NYSE) war auch das Ende einer Ära.
Ab heute nämlich, wenn die US-Börse nach verlängertem Silvesterwochenende zum neuen Dienstjahr öffnet, wird alles anders sein als zuvor. Der Lehnstuhl ist während des Wochenendes für immer im Fundus im 19. Stock des Börsengebäudes verschwunden. Das große, schwere Buch ebenfalls, beides Reliquien einer Zeit, die mit dem Jahreswechsel endgültig untergegangen ist.
Denn die altehrwürdige NYSE hat aufgehört zu existieren als jene einzigartige, spleenige Institution, für die sie seit über zwei Jahrhunderten berühmt ist. Stattdessen ist sie jetzt nur noch ein schnödes, gesichtsloses, gewinnorientiertes Aktienunternehmen wie andere auch. Im Vorfeld ihrer Mutation zum vollelektronischen Handelsplatz, die bis Mitte Januar vollendet sein soll, hat sie deshalb zur Jahreswende schon mal ihre staubigen Bräuche, antiquarischen Requisiten und Altherrenrituale hinter sich gelassen und sich ins 21. Jahrhundert bemüht - etwas verspätet und schweren Herzens, doch unwiderrufbar.
Die Sache mit dem Stuhl
Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem Stuhl. In den vergangenen 137 Jahren hat die Exchange die Mitgliedschaft und Privilegien ihres exklusive Clubs in Form von "Sitzen" verkauft, stellvertretend für die Holzstühle, auf denen die Börsianer Anfang des 18. Jahrhunderts noch saßen, während sie die Aktien einzeln zum Handel aufriefen. Die ersten Sitze kosteten 25 Dollar, und die Broker trugen Frackschöße und Zylinder.
Die beiden allerletzten Sitze, die seit der Einführung des Stehparketts sowieso nur noch symbolisch vergeben werden, gingen am vergangenen Freitag für über 3,5 Millionen Dollar an zwei unbekannte Käufer, bevor die elitäre Tradition schließlich den verdienten Tod starb.
Denn über die endgültige Aufnahme entschied häufig nicht nur Geld allein, sondern vor allem das Gutdünken der Mitglieder. Diese Prozedur war lange nebulöser als das Einführungszeremoniell einer Geheimloge. So wurden NYSE-Neuzugänge eine Zeitlang unter anderem dadurch bestimmt, dass die Seatholders Murmeln in eine Kiste legten. Erst 1963 demokratisierte der Oberste US-Gerichtshof den Börsenzugang für Aktienhändler etwas.
Trotzdem dauerte es auch danach noch vier Jahre, bis Frauen zugelassen wurden, drei weitere, bis die NYSE Schwarzen Sitze gab und noch einmal sechs Jahre, bis eine Frau tatsächlich als Specialist auf das Parkett durfte. Muriel Siebert & Co., die Brokerfirma des ersten weiblichen NYSE-Mitglieds, ist bis heute auch die einzige, die von einer Frau geleitet wird.
Millionengewinn durch Nichtstun
Bis zuletzt mussten sich NYSE-Bewerber überdies einem oft lächerlich scharfen Vorstellungsverhör beim Zulassungskomitee unterziehen. Da kamen nicht nur ihre Reputation und Kreditwürdigkeit zur Sprache, sondern auch ein unbezahltes Verkehrsknöllchen. Das freilich änderte nichts daran, dass allein voriges Jahr 15 NYSE-Mitglieder wegen Börsenbetrugs angeklagt wurden.
Erst nach dem Verhör durften sich die Novizen handschriftlich in eins der vier großen Mitgliedsbücher eintragen. Diese Bücher, mit besagtem roten Einbänden und Seiten aus Lammfell-Pergament, sind regelrechte Who's Who der US-Börsengeschichte, mit über 30.000 Namen, darunter denen von Wall-Street-Legenden wie John Rockefeller (1883 zugelassen) und Pierpont Morgan (1895).
In die Fußstapfen dieser Superreichen wollen jetzt auch jene treten, die sich gerade noch einen der insgesamt 1366 NYSE-Sitze ergattern konnten, bevor deren Verkauf eingestellt wurde. Denn sie wittern hier ein tolles Geschäft: Ab heute werden die Sitze in Besitzanteile am neuen Börsenkonzern plus einen Cash-Bonus umgewandelt. Pro Nase kommen die Sitzbesitzer auf rund 4,3 Millionen Dollar - ein schöner Gewinn durch Nichtstun.
Am Ende bleibt nur das Messageboard
Der kanadische Investor Thomas Caldwell ist zum Beispiel solch ein Sitzzocker. Er spekuliert seit einiger Zeit schon mit Börsenbeteiligungen. Seinen ersten NYSE-Sitz sicherte er sich vor zwei Jahren, seitdem hat er den Anteil auf 48 Sitze erhöht, zuletzt durch 4 Sitze, die er schnell noch vor Toresschluss in der vorigen Woche erstand. "Es ist ein wunderbares Geschäft", sagte Caldwell dem "Wall Street Journal". Der Investor erkaufte sich so nebenbei auch Einfluss hinter den Kulissen. Der Kanadier gehörte einer Gruppe an, die erzwang, dass die Konditionen der anstehenden Fusion der NYSE mit der Elektronikbörse Archipelago noch zu Gunsten der Anteilseigner nachgebessert wurden.
Immerhin macht er jetzt noch einen schnellen Dollar mit der Tradition. Ansonsten bleibt den NYSE-Sitzhaltern nichts mehr vom einstigen Glamour. Nur ihr internes Internet-Messageboard wollen sie sich bewahren, auch nach der Fusion zur modernen Mega-Börse. "Es ist", sagt NYSE-Mitglied William Powell, der das Board beaufsichtigt, "das Einzige, was wir noch übrig haben."
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