Schweiz heisst Ausdehnung der Personenfreizügigkeit gut
Auch die zweite europapolitische Abstimmung in diesem Jahr brachte ein Ja. Nach dem Vertrag zu Schengen/Dublin haben die Stimmberechtigten auch der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten zugestimmt. Das Resultat war deutlicher, als dies die Prognosen vor der Abstimmung erwarten liessen.
ubl. Die Schweizer Stimmberechtigten haben am Sonntag der Ausdehnung der Personenfreizügigkeit zugestimmt. Das Ja fiel mit 56,0 Prozent wesentlich deutlicher aus, als zuvor angenommen worden war. 1'457'807 Stimmberechtigte sagten Ja, 1'146'784 lehnten das Geschäft ab Die Stimmbeteiligung lag bei 53,8 Prozent. Damit wird die Personenfreizügigkeit - ein Element der ersten bilateralen Verträge mit der EU - auf die zehn neuen EU-Mitglieder ausgedehnt.
Ablehnung nur in sieben Kantonen
Abgelehnt wurde die Vorlage lediglich in den Kantonen Obwalden, Nidwalden, Uri, Schwyz, Glarus, Tessin sowie Appenzell Innerrhoden. Alle anderen Kantone haben Ja gesagt. Damit wechselten sieben Kantone, die Anfang Juni die Verträge zu Schengen/Dublin noch abgelehnt hatten, ins Ja-Lager. In der Ostschweiz gab es nur noch im Kanton Appenzell Innerrhoden ein Nein, alle anderen Kantone haben «die Seiten gewechselt». Das klare Bild bei den Kantonen zeigt, dass die Vorlage auch das Ständemehr problemlos geschafft hätte, obwohl es diese Hürde beim aktuellen Geschäft nicht gab.
Es gab keinen Röstigraben
Interessant dürfte die Auswertung des Abstimmungsverhaltens einzelner Gruppen sein, lässt sich doch jetzt schon sagen, dass dieses nicht den traditionellen Bahnen von Europa-Abstimmungen folgte. So gab es dieses Mal keinen Röstigraben. Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit wurde sowohl in der Westschweiz wie auch in der Deutschschweiz angenommen, lediglich das Tessin sagte Ja.
Nicht so stark dürfte auch der Stadt-Land-Gegensatz gewesen sein. So waren in ländlichen Gebieten viele Bauern für die Vorlage, weil sie auf ausländische Hilfskräfte angewiesen sind. Zugleich gab es in Städten beispielsweise Zahnärzte, die sich vor der ausländischen Konkurrenz fürchteten. Auffallend war im Vorfeld der Abstimmung auch, dass sich viele Jugendliche Sorgen machten um die Arbeitsplatzsicherheit und deshalb gegen die Vorlage votierten.
Zwei Seelen in der Brust
Offenbar waren nicht wenige Stimmberechtigte rational von der Anpassung der Bilateralen I überzeugt, während sie sich zugleich unterschwellig um Arbeitsplätze sorgten und die Folgen eines Ja nur schlecht abschätzen konnten. Nur so lässt es sich erklären, dass die Gruppe der Unentschlossenen im Vergleich zu anderen Abstimmungen lange Zeit sehr gross war. Das führte auch zu Prognosen, die von einem knappen Entscheid ausgingen.
Um auch die Gewerkschaften ins Boot der Befürworter zu holen, wurden flankierende Massnahmen gegen Lohndumping und zur Einhaltung von Gesamtarbeitsverträgen beschlossen. Im Jahr 2009 gibt es erneut die Möglichkeit eines Referendums. Und schliesslich kann bis 2014 im Rahmen einer Schutzklausel die Zuwanderung beschränkt werden.