von wopetersen87 26.04.01 15:09:00 3395324 COMROAD AG Moin! Ich habe mich gestern - angeregt durch einige Beiträge hier im Board - einmal mit dem technischen Konzept von Comroad beschäftigt und möchte meine Ergebnisse mal zur Information hier veröffentlichen.
Um es vorweg zu nehmen:
Ich war einige Tage mit 1000 Stk in Comroad investiert und habe sie heute mit einem noch erträglichen Verlust abgestoßen. Ich bin deswegen aber nicht sauer auf Com- road oder sonstwen, sondern habe einfach vor dem Kauf zu wenig recherchiert.
Die Idee halte ich aus ingenieurtechnischer Sicht zwar nicht für `genial`, aber doch für gut und es läßt sich sicher etwas daraus machen. Es ist auch nicht meine Art, die Arbeit anderer herunterzumachen.
Ich könnte mehr schreiben, ich könnte kürzen... aber schließlich bin ich kein Zeitungsredakteur.
Eine Bitte: Wenn Ihr Euch durch das Pamphlet durchgewühlt habt:
BITTE NICHT GLEICH SCHREIEN! ERSTMAL SACKEN LASSEN! Das gilt für die Pros und die Contras.
Was mir so auffiel:
Comroad schmückt seine Website extrem mit international bekannten Firmen und Buzzwords aus. Darunter sind Intel, Bosch, ARM, etc Klappern gehört zum Handwerk, das ist legitim. Aber wenn derartig laut geklappert wird, werde ich mißtrauisch.
Stichwort Bosch und CAN-Controller: Das CAN-Protokoll ist ein genormter Industriestandard für einen Fahrzeug-Datenbus. Zwar gibt es hier und da gewisse Ungereimtheiten in den Spezifikationen, aber der Standard steht. Einen CAN-Controller kauft man von der Stange und erhält je nach abgenommener Stückzahl mehr oder weniger Support von den Applikations-Ingenieuren des Herstellers. Diese Unterstützung bekommt jeder -auch als Einzelperson- solange er glaubhaft macht, daß er Komponenten kauft. Ein ganz alltäglicher Vorgang also und der Begriff einer Zusam- menarbeit bei der Entwicklung ist m.A. nach Schönfärberei für Ahnungslose.
Stichwort Intel: Vermutlich bezieht Comroad von Intel die 16MB FlashEproms. Es gilt das Gleiche wie zum Thema CAN
Stichwort Hyundai Electronics, Corea (ASIC chip production) Ein ASIC ist ein programmierbarer `halbintelligenter` elektro- nischer Baustein. Es gibt sie in unterschiedlicher Komplexität und für verschiedene Umgebungsanforderungen (, z.B. Temperatur- bereiche Standard, erweiterter TB, MIL). Die Hersteller geben in der Regel kostenlose EntwicklungsSoftware dafür heraus, der Entwickler strickt damit die geforderte Logik, schickt den erzeugten Schaltplan an den Hersteller, dieser überprüft den Plan und der erzeugt eine Maske. Das ganze kostet je nach Kom- plexität ab 50 TDM aufwärts und der Kunde verpflichtet sich, eine bestimmte Stückzahl abzunehmen. Der Hersteller stellt Support-Ingenieure, die bei Fragen helfen. Ein stinknormaler Vorgang in der Elektronikentwicklung. Hier von einer `Gemeinsamen Entwicklung` zu sprechen, halte ich für recht aufschneiderisch.
Stichwort ARM, UK (processor industry) Es gilt das zuvor gesagte, nur wurde hier wohl kaum die mehrere hundert Millionen teure Neuentwicklung eines Prozessors durchge- führt, sondern wohl eher entsprechend der geforderten Komplexität und Umgebungsbedingung eine bestehende Variante aus dem Programm von ARM ausgewählt. ARM ist übrigens ein Proz-Hersteller der zweiten Reihe. Die Großen sind Intel (sauteuer!) Motorola und andere. Rein technisch vielleicht keine schlechte Wahl, aber hoffentlich geht ARM nicht den Bach runter. Wiederum ein Schmücken mit fremden Federn.
Stichwort Lernout+Hauspie/ELAN, Belgium - Spracherkennung Ob das heute noch Werbung ist? Kein Kommentar.
Stichwort Multimedia und Spieledownloads via GTTS Es ist zu bezweifeln, daß die Bandbreite des Datenfeeds für solche Dinge in annehmbarer Qualität ausreicht. Für die Kunden, die sich an einem heruntergeladenen Tetris-Spiel erfreuen können, ist das vielleicht was, aber um eine mehrere hundert MB große Spiele-Anwendung zu laden braucht es eine enorme Bandbreite oder Zeit. Das widerspricht vollkommen dem Ziel, viele Clients von einem Server aus zu steuern. Technisch machbar ist das sicher mal irgendwann in der Zukunft. Ob es auch sinnvoll ist, mag ich nicht entscheiden. [OffTopic:Ich konnte mir ein Grinsen bei dem Gedanken nicht verkneifen, daß der typische Kunde in seiner Viper mit 240 über die Autobahn kachelt und dabei ein interaktives Spiel spielt. Hinter der Leitplanke kann er dann ja noch die Börsenkurse abfragen... Das sorgt höchstens für eine erhöhte Nachfrage bei den Fahrzeugherstellern.] Kurz gesagt: das sind m.A. weitere Buzzwords für Aktionäre + Analysten.
Stichwort Linux / WIndows CE: Linux ist ein recht stabiles, ausgereiftes und vor allem kostenloses Betriebssystem. Aber wieso verwendet Comroad laut Website in seinen Systemen gleichzeitig Linux und Windows CE? (Kostet Lizenzgebühren) Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie ihre Linux Software mal so eben nach CE portiert haben. Oder ist das nur ein Buzzword?
Stichwort Vertriebs- und Installationspartner Eine Handvoll Rundfunkgeschäfte bzw. Autoradio-Einbaudienste. Nicht mehr und nicht weniger. Da ein einmal im Fahrzeug installiertes System vermutlich/hoffentlich nicht anspruchsvoll hinsichtlich Service ist, sollte das ausreichen. Besser gefallen würde mir, wenn dort Namen wie MediaMarkt und Konsorten ständen. Aber der Einbau allein ist sinn- los ohne Datenfeed. Wo sind die Provider, ist der Empfang in D und den weiteren 26 Ländern flächendeckend? Hier habe ich die Website zugegebener- maßen nicht weiter erforscht. Vielleicht werde ich demnächst mal bei einem der Installateure vorbeischauen und fragen, ob sie ein Vorführmodell haben, wieviele Kunden sie betreuen usw. Mein Tip: Das sollten umgehend die Leute machen, die - nicht als Trader sondern als Anleger- investiert sind bzw. investieren wollen. Solche Fragen `an der Basis` kosten nichts und bringen oft mehr Klarheit als Websites und Hochglanzprospekte.
Meine Schlußfolgerungen:
# Die Geschäftsidee ist gut, hat aber m.A. nach eher den Rahmen einer mittelständischen Firma mit einem Firmen- wert von 2 bis 10 Mio DM und ist für eine hochkapitali- sierte ein paar Nummern zu groß. Um internationale Standards zu setzen, ist Comroad um Größenordnungen zu klein. Sobald die Bigplayer (Daimler, BMW, Ford, Intel, HP/Agilent, etc) für sich allein oder in einem Konsor- tium zielgerichtet auf das Thema losgehen, ist Comroad nur noch Geschichte. Daß die Bigplayer bei Comroad an- klopfen und Interesse an deren System bekunden, halte ich für ausgeschlossen, denn dafür ist der Egoismus der jeweils eigenen Entwicklungsabteilungen in der Regel zu groß. Man nimmt den Entwicklungsstand zur Kenntnis und macht was eigenes.
# Das oben aufgezeigte Schmücken mit bekannten Markennamen stößt mir sehr unangenehm auf. Das macht Comroad wohl nicht ohne Grund. Die Jungs sollten sich besser auf ihre eigene Leistung berufen. Wie gesagt ist die Idee nicht schlecht.
Als Analyst oder Aktionär hätte ich an Comroad diese Fragen: - Welche Firmen setzen das System in welchen Ländern ein (27 Länder laut Website). - Was sind das für Firmen (Sixt, UPS und ähnliche Kaliber oder die kleine Spedition vom Gewerbehof?) - Wieviele Geräte/Clients sind dort installiert? - Wie hoch sind die Einnahmen aus Geräteverkäufen? - Wie hoch sind die Lizenz-Einnahmen? (Dieser Wert ist aus meiner Sicht der entscheidende Indikator für Erfolg/Mißerfolg der Idee)
Was mir sonst noch auffiel: Wenn die von Comroad abgesetzten Geräte nicht in Betrieb genommen werden, gibt es durch die Hintertür Verluste, weil dann die Lizenz-Einnahmen dafür nicht zum Tragen kommen. Den Grad dieser Hebelwirkung kann ich aber nicht beziffern, da Comroad hier zu wenig Informationen auf der Website bereitgestellt hat.
Meiner Ansicht nach ist Comroad durch den rieigen Kapitalzufluß sehr stark überfordert. Das könnte auf den falschen Weg führen, wobei ich den Jungs garnicht unterstelle, daß sie von sich aus betrügen wollen. Aber mir gehen die Begriffe Metabox und Schnee- ballsystem nicht aus dem Kopf. Darum habe ich heute mit Verlust verkauft. Denjenigen, die investiert bleiben oder neu investieren würde ich nicht unterstellen, Dummköpfe zu sein. Vielleicht liegen sie sogar richtig. Auf jeden Fall sind sie mutiger als ich und ich gönne ihnen einen schönen Gewinn. Zum Traden von einem ausreichend niedrigen Level aus und in Kenntnis der Risiken spricht nichts gegen die Aktie. Meine Neugier ist geweckt und ich werde sie weiter beobachten.
Ich hoffe, ich habe Euch nicht gelangweilt.
Viele Grüße
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