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ERNEUERBARE ENERGIEN Ökobranche jubelt über hohen Ölpreis
Von Anselm Waldermann
Autofahrer ächzen unter den steigenden Benzinkosten - doch eine Branche freut sich: Noch nie waren Solar- und Bioenergie so wirtschaftlich wie heute. Bei einem Ölpreis von fast 100 Dollar erwarten die Ökofirmen einen Nachfrageboom wie noch nie.
Hamburg - Hermann Scheer kann seine Genugtuung kaum verbergen: Rohöl kostet in diesen Tagen weit mehr als 90 Dollar pro Barrel, wahrscheinlich wird die 100-Dollar-Marke noch in diesem Jahr geknackt. "Es ist der normale Lauf der Dinge", sagt Scheer, "ich habe es schon immer gewusst."
Weizenfeld (in Sachsen-Anhalt): Biokraftstoffe können bei einem Ölpreis von 120 Dollar rentabel sein Großbildansicht DPA
Weizenfeld (in Sachsen-Anhalt): Biokraftstoffe können bei einem Ölpreis von 120 Dollar rentabel sein
Scheer sitzt für die SPD im Bundestag, er zählt zum linken Flügel der Partei und ist Fachmann für erneuerbare Energien. Einen Ölpreis von rund 100 Dollar hat er lange vorhergesagt, stets hat er eine Abkehr von den traditionellen Energiequellen gepredigt und die Vorzüge von Sonne, Wind und Biomasse gepriesen. Jetzt, so scheint es, bekommt Scheer endlich Recht. "Der Druck für eine Energiewende ist so groß, dass es auch der letzte begreift."
Was bisher nur die Hoffnung einzelner Linker war, rückt nun in greifbare Nähe. Bisher waren die Ökoenergien weit von der Rentabilität entfernt - solange es billiges Öl gab, rechneten sie sich kaum. Mit dem aktuellen Ölpreis ändert sich das: Solaranlagen und Biokraftstoffe werden im Vergleich immer wirtschaftlicher.
"Je höher der Ölpreis, desto besser für die Branche der erneuerbaren Energien", sagt Wolfgang Albrecht von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). "Man muss jetzt verstärkt nach Alternativen suchen. Sonne, Wind und Biosprit bieten eine Möglichkeit, die Lücke zu schließen."
Ölpreis seit Anfang 2006: Fast 100 Dollar pro Barrel Großbildansicht SPIEGEL ONLINE
Ölpreis seit Anfang 2006: Fast 100 Dollar pro Barrel
Selbst die "Welt am Sonntag", nicht gerade für Öko-Fundamentalismus bekannt, kann der aktuellen Entwicklung ihre positiven Seiten abgewinnen. "Hurra, der Ölpreis steigt" - so ist ein Kommentar aus der vergangenen Woche überschrieben. Der Trend zum teuren Öl habe "eindeutig positive Seiten". Schließlich, schreibt die Zeitung, seien "hohe Preise für fossile Energieträger der beste und effizienteste Weg, das Ausmaß des Klimawandels zu begrenzen".
Vor allem Solarunternehmen sind in diesen Zeiten gut positioniert: An der Börse stehen ihre Aktien hoch im Kurs, auch wegen der üppigen staatlichen Förderung. Unternehmen wie Solarworld, Q-Cells und Conergy dominieren mittlerweile den Technologieindex TecDax - und haben ihn seit Beginn des Jahres um 35 Prozent nach oben getrieben. Börsenhändler bezeichnen den TecDax schon als SunDax.
ERDÖL: RESERVEN, RESSOURCEN, FÖRDERUNG, RAFFINERIEN
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Vom hohen Ölpreis profitiert besonders die Solarthermie, also Wärmegewinnung aus Sonnenlicht. Insgesamt sind in Deutschland rund eine Million Solarwärmeanlagen installiert - nach Angaben des Bundesverbands Solarwirtschaft (BSW) werden dadurch 500 Millionen Liter Heizöl eingespart. In Zukunft werden es doppelt so viel sein: Bis 2012 rechnet der Verband mit zwei Millionen Solarwärmeanlagen. Nach einer repräsentativen Umfrage des BSW planen allein in den nächsten zwei Jahren 800.000 Haushalte den Kauf einer Solarwärmeanlage. Zusätzliche Triebfeder für den Ökoboom: Der Staat hat die Förderung gerade angehoben - für zehn Quadratmeter Kollektorfläche gibt es nun 1800 Euro statt bisher 1050 Euro.
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In den vergangenen Monaten sah das noch ganz anders aus. Wegen des milden Winters 2006/07 hatten viele Hausbesitzer ihre alte Heizung behalten, der Absatz der Ökobranche war teilweise eingebrochen (mehr...). Beim aktuellen Ölpreis hingegen lohnt sich das Nachrechnen wieder.
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) stellte vor wenigen Tagen ein bemerkenswertes Gutachten vor. Demnach kostet das Klimaprogramm der Bundesregierung bis 2012 jährlich 31 Milliarden Euro. Mit dem Geld soll die Energieeffizienz von Gebäuden, Elektrogeräten und Autos verbessert und die Wärmegewinnung aus erneuerbaren Energien gefördert werden. Dadurch ergeben sich Einsparungen bei Kohle, Öl und Gas, die auf jährlich 36 Milliarden Euro geschätzt werden. Das Programm verspricht also einen volkswirtschaftlichen Gewinn von fünf Milliarden Euro pro Jahr.
Das Besondere daran: Die Gutachter haben in der Rechnung einen Ölpreis von 65 Dollar pro Barrel unterstellt. Beim aktuellen Ölpreis wird das Klimaprogramm der Volkswirtschaft also noch weit mehr bringen als gedacht - Energiesparen ist bares Geld wert.
SCHWARZES GOLD: ÖLFÖRDERUNG RUND UM DEN GLOBUS
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Höher Ölpreis, Klimawandel - diese Diskussion kommt gerade deutschen Unternehmen zugute. "Der Standort Deutschland profitiert", sagt Albrecht von der LBBW. Natürlich muss man auch die Mehrkosten berücksichtigen, die der Volkswirtschaft durch den hohen Ölpreis entstehen. Andererseits setzen hiesige Unternehmen seit Jahren auf Sonne, Wind und Biomasse - und diese Investition zahlt sich nun aus. "Deutschland ist bei den erneuerbaren Energien weltweit führend", sagt Albrecht. "Die Exportquote steigt von Jahr zu Jahr."
BRENT, WTI, BONNY LIGHT - DIE ÖLSORTEN UND IHR PREIS
* Qualität * Sorten * Preise
Die Erdölindustrie klassifiziert ihr Rohöl nach drei Kriterien: Herkunft, Dichte (Gewicht im Verhältnis zu Wasser) und Schwefelgehalt. Rohöl mit einer hohen Dichte wird entsprechend als "schwer" ("heavy"), mit einer geringeren Dichte als leicht ("light") bezeichnet. Rohöl mit einem hohen Schwefelgehalt gilt als "sauer", ein geringer Schwefelgehalt macht das Öl "süß". Je schwerer und saurer das Rohöl ist, desto aufwändiger ist seine Verarbeitung zum Beispiel zu Benzin oder Kerosin. Leichtes und schwefelarmes Rohöl ist gefragter und damit teurer als schweres. Weltweit gibt es mehrere Dutzend Rohölsorten aus unterschiedlichen Regionen, die unterschiedlich in ihrer Qualität sind. Die Herkunft reicht von Algerien bis Venezuela. Wichtigste Sorten sind die amerikanische Marke West Texas Intermediate (WTI) und das aus 15 Nordseeölfeldern stammende Brent. Hinzu kommen etwa die Rohölsorten aus den Erdöl exportierenden Ländern (OPEC), zum Beispiel die die Sorte "Arab Light" aus Saudi-Arabien oder "Bonny Light" aus Nigeria. An den Terminbörsen werden mehrere sogenannte Referenzöle gehandelt mit einem standardisierten Leitwert. Abhängig von ihrer Qualität werden die übrigen Sorten mit einer Prämie oder einem Abschlag zur Leitsorte gehandelt.
Referenzsorte ist die vor allem in Amerika gehandelte Marke WTI und das aus der Nordsee stammende und in London gehandelte Brent. WTI ist leichter und schwefelärmer als Brent und somit meist einige Dollar teurer pro Barrel. Die Produktion beider Sorten geht seit einiger Zeit zurück, dennoch sind sie nach wie vor die beiden wichtigsten Referenzöle.
Hinzu kommt etwa der von der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC) veröffentlichte Korbpreis für Rohöl. Er wird auf Grundlage der elf von seinen Kartellmitgliedern produzierten Sorten berechnet. Opec-Öl ist meist schwerer und saurer als WTI und Brent und damit billiger.
Preisanstiege und -abschläge verlaufen also meist für alle Sorten parallel. Jedoch schwanken die Preise jeder Sorte, wenn sie mehr oder weniger nachgefragt oder gefördert werden.
Etwas kritischer sieht Albrecht die Chancen bei der Energiegewinnung aus Biomasse. Weil sich die Nahrungsmittelindustrie und die Energiewirtschaft gegenseitig die Rohstoffe wegkaufen, schnellen die Preise für Mais, Weizen, Raps und Palmöl in die Höhe. "Das schmälert den Gewinn", sagt Albrecht. Seit Anfang 2005 ist der Goldman-Sachs-Agrarindex um 95 Prozent gestiegen. Experten führen dies auf Missernten, die steigende Nachfrage in China, aber auch Spekulation zurück.
"Würde nur der Ölpreis steigen, wäre unsere Freude riesig", sagt Frank Brühnung vom Verband der deutschen Biokraftstoffindustrie. "Leider haben sich unsere Basisrohstoffe noch stärker verteuert. Das Plus wurde somit aufgefressen."
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* BP-Studie: Statistical review Of World Energy * Esso-Studie: Oeldorado 2007 SPIEGEL ONLINE ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.
Grundsätzlich aber nütze ein hoher Ölpreis der Branche, sagt Brühning. Er gehe davon aus, dass Biokraftstoffe - bei konstanten Rohstoffkosten - einen Ölpreis von 120 Dollar benötigen, um wettbewerbsfähig zu sein. Beim aktuellen Ölpreis ist man diesem Ziel schon deutlich näher als noch vor wenigen Monaten. Wenn nun noch Weizen und Mais billiger werden, was der VDB erwartet, dann könnte der Biobranche bald der Durchbruch gelingen.
Auch die Hersteller von Holzpellets könnten vom hohen Ölpreis profitieren. "Noch merken wir nichts von einem Nachfrageschub", sagt Martin Bentele vom Deutschen Energie-Pellet Verband (DEPV). "Wir hoffen aber, dass sich das demnächst ändert. In deutschen Heizungskellern gibt es einen riesigen Modernisierungsstau."
FORUM Forum Steigender Ölpreis - Ende des fossilen Zeitalters?
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Den Anlagenherstellern kommt dabei entgegen, dass der Pelletpreis seit Beginn des Jahres gesunken ist - von 250 Euro je Tonne auf 180 Euro. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum hat sich Rohöl von rund 50 Dollar auf knapp 100 Dollar verteuert. "Bei den Brennstoffkosten sind wir inzwischen 40 bis 45 Prozent günstiger als Öl und Gas", sagt Bentele.
Die Anschaffungskosten sind bei einer Pelletheizung teurer als bei herkömmlichen Öfen. Doch der hohe Ölpreis macht das wett. "Innerhalb von zehn Jahren", sagt Bentele, "rechnet sich das."
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