Der Aufbau Ost ist gescheitert. Mehr noch: Das fehlgeschlagene Experiment, die neuen Bundesländer mit massiven Subventionen innerhalb kürzester Zeit in "blühende Landschaften" zu verwandeln, wie es einst Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl prophezeit hatte, droht inzwischen auch die einst kraftstrotzende Volkswirtschaft im Westen in die Knie zu zwingen. Was die Expertengruppe mit dem offiziellen Titel "Gesprächskreis Ost" jetzt vorgelegt hat, kommt einem ultimativen Verriss der bisherigen Einheitspolitik gleich:
Von den 15 Millionen Einwohnern im Osten arbeiten nur rund 40 Prozent. Vielerorts sind die Organisatoren der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen die größten Arbeitgeber geworden
Wegen der Wirtschaftskrise ziehen viele, vor allem junge Leute fort. So verschärft die Krise die Krise.
Seit Jahren wächst die Wirtschaft in den neuen Ländern langsamer als im Westen. Das Wohlstandsgefälle nimmt zu.
Dem Osten fehlen 3000 mittelständische Betriebe, gemessen am Weststandard. Was im Osten an Betrieben überlebt hat, ist zu klein und in der Regel kapitalschwach.
Hohe Arbeitslosigkeit, sinkendes Rentenniveau, fortdauernde Abwanderung - die bisherige Förderpolitik, so der Befund, zeige seit längerem schon keine Wirkung mehr. Ohne Kurswechsel werde "der West-Ost-Transferbedarf zukünftig vermutlich sogar ansteigen".
Niemals zuvor in der Geschichte der Industrienationen hat es einen Landstrich gegeben, der in einer derartigen Abhängigkeit vom Ressourcenstrom eines anderen Landesteils stand. Selbst Transferökonomien, wie das italienische Mezzogiorno das von Nord- und Mittelitalien bezuschusst wird, Portugal, das mit beträchtlichen Mitteln der EU gefördert wird oder Israel, das viel Geld aus den USA erhält, liegen beim Leistungsbilanzdefizit, so hat das Ifo-Institut errechnet, mit 12 bis 13 Prozent weit von den 45 Prozent der neuen Bundesländer entfernt.
Für die Kosten der Einheit muss der Westen jährlich vier Prozent seines Bruttoinlandsprodukts abzweigen. Da das Wachstum niedriger liegt als vier Prozent, gehen die Transfers zu Lasten der Substanz.
Der Osten ist ein Landstrich mit weitgehend stillgelegter Wertschöpfung, der ohne ständigen Nachschub aus der westdeutschen Volkswirtschaft nicht lebensfähig wäre - zumindest nicht auf dem Niveau eines entwickelten Industrielandes. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf nach Abzug der Netto-Transferleistungen liegt unter dem Niveau von Portugal. Im Öffentlichen Dienst arbeiten 30 Prozent mehr Leute als auf vergleichbaren Dienststellen im Westen. In der Privatwirtschaft werden viele Ostbetriebe trotz fehlender Gewinne mitgeschleppt, Bankenfilialen etwa arbeiten zu einem Großteil defizitär. Die geplante Osterweiterung der EU, so befüchten die Experten, wird der Ost-Wirtschaft endgültig den Todesstoß versetzen. Denn was Produktivität und Qualitätsniveau betrifft, haben die Konkurrenten jenseits der Grenze schon längst mit den ostdeutschen Betrieben gleichgezogen - die Lohnkosten betragen dagegen nur einen Bruchteil.
Klaus von Dohnanyi ,der frühere Hamburger Bürgermeister meint: "Der Aufbau Ost ist zu wenigstens zwei Dritteln für die Wachstumsschwäche Deutschlands verantwortlich. Wenn wir das weiter so betreiben wie bisher, dann kann sich Deutschland nicht erholen.Dohnanyi schlug vor, dass die neuen Länder künftig nicht mehr allein bestimmen können, wo die Fördermittel hinfließen.
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