Profit mit Geschichte Autobauer entdecken Geschäft mit Oldtimern Deutsche Hersteller hegen den Kult um alte Schätzchen. Ihre Historie kann niemand kopieren - schon gar kein Rivale aus Japan. Das Geschäft mit der Nostalgie boomt. von Margret Hucko Hamburg Anzeige Wenn Dieter Zetsche dieser Tage vor die Kameras tritt, stärkt ihm die Geschichte stets den Rücken. Hinter dem Daimler -Chef parkt ein stelziges Gefährt von 1886: schwarze Sitzbank, der Corpus aus hellem Holz und mit Rädern, die so schmal sind wie bei einem Rennrad. Damals, vor 125 Jahren, brachte Carl Benz seinen Patent-Motorwagen Nummer eins ins Rollen, während Gottlieb Daimler parallel an einer Motorkutsche tüftelte. "Wir werden alles daran setzen, Daimler und Benz nicht zu enttäuschen", versprach Zetsche postum den Gründervätern beim Festakt "125 Jahre Automobil". Mercedes SL "Pagode" aus den 60er Jahren: Es kommt nicht von ungefähr, dass Daimler die eigene Historie zelebriert Es kommt nicht von ungefähr, dass Daimler die eigene Historie zelebriert. Denn Geschichte besitzt mehr Potential als nur für nostalgische Ahs und Ohs zu sorgen - sie zahlt auf das Image der Marke ein. Deshalb planen die Stuttgarter, den Geschäftsbereich Classic mit dem Verkauf von Oldtimern weiter auszubauen. Schrott wird wieder flott. "Das Interesse an alten Autos steigt", sagt der Leiter von Mercedes-Benz Classic, Michael Bock. "Darum wollen wir über weitere Stützpunkte im Verkauf wachsen", kündigt er an. In Städten wie Berlin und München veräußert Daimler außer E-Klassen der neuesten Generation auch Raritäten mit Heckflossen und Flügeltüren aus der Hippie- und Wirtschaftswunderzeit. Sogar mit einjähriger Garantie fast wie bei einem Neuwagen. Angefangen hat das Geschäft 2009 im kleinen Stil im Mercedes-Museumsshop in Stuttgart. In Deutschland zugelassene Youngtimer Die Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes gibt dem ältesten Autobauer der Welt Recht: Geschichte lässt sich verstärkt in Geld verwandeln. Allein im vergangenen Jahr umfasste der Markt für Youngtimer - Autos, die den Sprung vom schnöden Gebrauchtwagen zum Sammlerstück geschafft haben - rund 6,6 Millionen Pkws in Deutschland. Aber auch die Zahl der restaurierten und erneut zugelassenen Ü 30-Modelle wächst stetig. Entscheidender Anreiz ist das 1997 eingeführte H-Kennzeichen, das über 30 Jahre alte Modelle steuerlich begünstigt. Seit 2005 nahm ihre Zahl um mehr als ein Drittel zu. Ein weiterer Impuls für den Markt könnte das von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geplante Wechsel-Nummernschild geben. "Das tollste an der Geschichte ist", sagt Markenberater Andreas Pogoda von der Agentur Brandmeyer in Hamburg, "sie ist uneinholbar". Für Marken mit Tradition bedeutet das einen unschätzbaren Wert. Etwas, das sich von ihren koreanischen oder chinesischen Verfolger nicht kopieren lässt. "Es ist eine gute Strategie, seine Geschichte kommunikativ einzusetzen", rät Pogoda den Herstellern. Auch Daimlers Konkurrenten Audi und BMW versuchen deshalb, mit Sentimentalitäten Kasse zu machen: durch Ersatzteileverkauf, Oldtimer-Rallyes oder eigene Museen. Erst vor gut zwei Monaten kaufte Volkswagen 73 Modelle aus der Karmann-Oldtimer-Sammlung auf. "Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt Bock. Für Daimler hat das Geschäft mit Oldtimern noch einen weiteren Vorteil. Der Stern drohte mit Neuwagen wie A- und B-Klasse zu vergreisen. Statt jungen Kreativen rauschte im Mercedes nur noch der deutsche Silberwald. "Unsere Kunden sind keine typischen Mercedes-Neuwagenkäufer", sagt Bock. Der Manager hofft, mit kantigen Benz-Karossen wie dem W123 aus den 70ern in saharagelb "kaufkräftige, junge Leute" an die Marke zu binden. Motto: Alt wirbt um Jung. Dabei gehe es nicht in erster Linie ums Geldverdienen, sondern das Alteisengeschäft zahle aufs Markenimage ein, sagt Bock. "Unsere Kunden sind in den 60er bis 90er Jahren groß geworden. Diese Menschen kaufen bei uns die Autos ihrer Kindheit. Ein Phänomen, das andere Hersteller noch nicht ausnutzen. So konnten beispielsweise der Citroën 2CV - die Ente - gefolgt vom Fiat 500 nach dem Deutschen Oldtimer-Index (DOX) zuletzt am stärksten an Wert zulegen. Bis zu 9000 Euro ist Enten-Fans ein Exemplar aus den 60er-Jahren wert - den unbezahlbaren Liebhaber-Faktor nicht mitgerechnet. Ein Daimler-Mitarbeiter erfüllte sich kurz vor seiner Pension einen langgehegten Traum. Er baute sich im Werk Sindelfingen seine eigene S-Klasse, kaufte sie vom Band weg und fuhr den Wagen 20 Jahre. 2009 verkaufte er das Luxusschiff an die Classic-Abteilung von Mercedes zurück. Mit der Bitte, den Wagen in gute Hände zu geben. Geschichten wie diese bewertet Marken-Experte Pogoda als "Gratiswerbung". Durchschnittlich stieg der Wert von Young- und Oldtimern von 1999 bis Anfang 2010 um durchschnittlich 5,7 Prozent. Unverändert bleibt dagegen der Wert des Benz Patenwagen. Den gibt es immer noch bei Mercedes zu kaufen - für 67.000 Euro als Replika.
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