Das lange Ringen um Oliver Stones " Alexander"
15 Jahre träumte Oliver Stone seinen Traum von der Verfilmung des Lebens von Alexander dem Großen. In wenigen Wochen läuft das 150-Mio.-Dollar-Epos mit Colin Farrell in der Titelrolle nun in den USA an. Die deutsche Auswertung folgt im Verleih der Constantin am 23. Dezember.
Regisseur Oliver Stone Paul Rassam, Chef von Pathé Films, wird manchmal mit Marlon Brando in " Der Pate" verglichen. Im Herbst 2002 bekam er ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Mogul Dino DeLaurentiis traf ihn im New Yorker Plaza Athenée Hotel, um ihm einen einzigartigen Deal zu unterbreiten: Rassam konnte die Rechte für Baz Luhrmanns Film über Alexander den Großen praktisch umsonst haben. Unter einer Bedingung: Er musste eine mündliche Zusage für Oliver Stones konkurrierendes " Alexander " -Projekt zurückziehen. Dessen Finanzierung stand noch auf wackligen Füßen - ohne die Pathé-Vereinbarung würde sie vollends zusammenbrechen. Dino DeLaurentiis spielte noch eine weitere Trumpfkarte aus: " Es ist gerade jemand gekommen, der dich treffen möchte." Und er öffnete die Tür zum Nebenzimmer: Dort wartete, mit einem sympathischen Lächeln auf dem Gesicht, Baz Luhrmann.
In diesem Moment sollte sich entscheiden, ob 13 Jahre Vorbereitungen vergeblich gewesen waren. Aber streng genommen, stand der Traum eines Lebens auf dem Spiel. Seit seiner Kindheit begeisterte sich Oliver Stone für die Geschichten um den legendären Herrscher aus Mazedonien, der im vierten Jahrhundert v. Chr. den Großteil der bekannten Welt erobert hatte. Stones Studium in New York und Yale, wo er Kurse in griechischer Mythologie belegte, feuerte diese Leidenschaft weiter an. Doch um sie in einen Film umzusetzen, brauchte er einen Anstoß aus München. 1989 schickte ihm Produzent Thomas Schühly einen 170-seitigen Entwurf für ein Alexander-Projekt. Sein Konzept erzählte von einem jungen Mann, der aus einer Welt mafioser Strukturen zu einem richtungsweisenden politischen Führer aufstieg - " Der Pate" meets " Lawrence von Arabien." Philosophisch unterfüttert war diese Vision u.a. von den Schriften Friedrich Nietzsches. Dieser Alexander war kein schlichter Kinoheld, sondern eine animalische Figur voll zerstörerischer Kraft. Und Stone, der gerade " Geboren am 4. Juli" fertig gestellt hatte, war für Schühly der " Caravaggio" , der diese Geschichte in Bilder fassen sollte. Und " Caravaggio" hatte grundsätzlich nichts dagegen: " Thomas, du hast den letzten wahren Helden erschaffen. Du bist wahrlich ein großer Produzent" , antwortete er per Brief.
Doch der Feldzug musste noch warten. Stone wollte sich erst mal " kleineren Filmen" zuwenden, aus denen Epen wie " JFK" werden sollten. Schühly hatte seinerseits die Folgen des Flops " Die Abenteuer des Baron Münchhausen" abzufedern. Immerhin begannen die beiden 1990 mit der Drehbuchentwicklung. Schühly investierte in Bauten und Designs 500.000 Dollar. Intermedia-Chef Moritz Bormann
" Nenne mir das Projekt, das dir am Herzen liegt"
Weitere Gelder kamen von den Produzenten Andrew G. Vajna und Mario F. Kassar. Aber erst der Erfolg von " Gladiator" ließ eine Finanzierung des Projekts realistisch erscheinen. Günstigerweise hatte Stone noch Verbindung zu einem weiteren deutschen Produzenten aufgenommen. Für Moritz Bormann hatte er das Drehbuch zum Abenteuerepos " Tom Mix" geschrieben; beide waren zu Freunden geworden. Bei einem Abendessen vor vier Jahren sagte der Intermedia-Chef den Satz, der ihn viele Stunden Schlaf kosten sollte: " Welchen Film möchtest du eigentlich machen?" Stone entgegnete: " Keinen Studiofilm, bei dem mir 20-jährige Manager dreinreden." Und dann besiegelte Bormann sein Schicksal: " Nenne mir das Projekt, das dir wirklich am Herzen liegt. Und das stellen wir auf die Beine." Insgeheim hatte der Produzent gehofft, Stone würde ihm einen kleinen Independent-Film vorschlagen. Doch ein paar Wochen später ließ der Regisseur die Katze aus dem Sack.
" Wir beide haben es lange nicht geglaubt, dass daraus etwas werden würde" , gibt Bormann heute zu. Vor allem, weil das Duo von potenziellen Geldgebern " Unverschämtes" verlangte: Investitionen in Höhe von 150 Mio. Dollar für ein Epos, über das sie keine Kontrolle hatten. Zu allem Überdruß hatte Oliver Stone für die Hauptrolle den irischen Nachwuchsstar Colin Farrell auserkoren, der zum damaligen Zeitpunkt nur Insidern bekannt war. " Die Studios sagten alle: 'Der Bormann, der spinnt'."
Colin Farrell mit Gefolge Da erschien es schon realistischer, dass andere Regisseure " ihren" Alexander zum Leben erwecken würden. Martin Scorsese bastelte an einem Projekt. Mel Gibson plante eine mehrteilige Fernsehserie. Der aussichtsreichste Kandidat war jedoch Baz Luhrmann, der sich Leonardo DiCaprio als Hauptdarsteller gesichert hatte. Aber Bormann hatte neben Stone noch eine entscheidende Trumpfkarte: Von allen Projekten hatte ihr " Alexander" das beste Drehbuch. So fand der vermeintliche Außenseiter langsam Bundesgenossen. Unterstützt von Schühly, zog Bormann den deutschen Fonds IMF3, mit dem er schon bei mehreren Projekten zusammenarbeitet hatte, auf seine Seite. Paul Rassam schlug für die französischen Rechte ein - nicht zuletzt, weil der Halbfranzose Stone in seiner zweiten Heimat über eine große Anhängerschaft verfügt. In Deutschland fand sich mit der Constantin ein potenzieller Verleiher. " Die Europäer waren sich über Finanzierbarkeit und Gewinnchancen viel eher einig als die Amerikaner" , so Bormann.
Doch die entscheidenden Schlachten waren noch nicht geschlagen. Zunächst hatte Dino DeLaurentiis Bormann zu überreden versucht, das Stone-Drehbuch zu verkaufen. Als das fehlgeschlagen war, lud er Rassam zu dem schicksalhaften Treffen. Was tat der Verleihchef? Er kontaktierte Borman und unterzeichnete den Vertrag. Wenige Wochen später schloss das Stone-Team eine Vertriebsvereinbarung mit Warner Bros. für die US-Rechte ab. Dort hatte das Management begriffen, dass " Alexander" gut in den epischen Produktmix mit " Troja " passte. Zudem hatte sich auch CAA-Chef Bryan Lourd für das Projekt stark gemacht.
Die Finanzierungs-Odyssee ging in die nächste Runde. Im Frühjahr flog das zweite Aufnahmeteam in den Hindukusch - um Landschaftsaufnahmen zu drehen und die Zweifler eines Besseren zu belehren. Aber vor allem waren jetzt Stones Stehvermögen und Überzeugungskraft gefragt. " Ich sagte zu ihm, du hast mir da einen solchen Brocken ins Nest gelegt. Da musst du mir auch helfen" , erzählt Borman. In Cannes 2003 saß der fünffache Oscar-Preisträger tagelang in einem stickigen Büro, um Verleihvertretern im Halbstundentakt seine Vision zu erklären.
Angelina Jolie als Olympia Zu diesem Zeitpunkt war das Projekt bereits in Vorproduktion. Als Hauptdrehort war Marokko auserkoren worden, das ideale Voraussetzungen für die meisten Schauplätze bot. Hier wurden u.a. über 100.000 Tonnen Sand bewegt, um ein mazedonisches Amphitheater zu schaffen. In den Atlas-Bergen errichtete das Team von Produktionsdesigner Jan Roelfs die riesige Festung einer baktrischen Fürstenfamilie. In marokkanischen Werkstätten entstanden in Handarbeit Tausende von Gebrauchsgegenständen nach historischem Vorbild. Rumänische Weber lieferten über 2500 Meter Stoff. Gleichzeitig wurden Elefanten und Pferde für eine indische Schlachtsequenz trainiert, die in Thailand stattfinden sollte. Als die Dreharbeiten am 19. September 2003 begannen, waren Bormanns Nerven trotzdem weiter zum Zerreißen gespannt.
Finanzierungs-Odyssee mit glücklichem Ende
Denn der Vertriebsdeal mit Japan war noch nicht abgeschlossen. Nur die Vorschusszahlungen einzelner Vertragspartner hielten das Projekt am Laufen. " Aber die Sättel, auf denen unsere Krieger saßen, waren noch nicht bezahlt." Um das Vertrags-Puzzle zu vollenden, wurde ein ganzer Tross Japaner eingeflogen. Die konnten den Dreh zur spektakulären Schlacht von Gaugamela mit 1400 Statisten beobachten. Noch auf dem Rückweg zu ihren Hotels nahmen sie mit den Heimatbüros Kontakt auf. Am nächsten Tag hatte Borman schon die ersten Angebote vorliegen.
Aber die Produktion blieb weiter schwierig. Das Budget war für einen Film dieser Größenordnung relativ knapp kalkuliert. Stone hatte 90 Drehtage - rund 30 weniger als " Troja" . Und für Überschreitungen gab es keine größeren Reserven. Immer wieder behinderten Sandstürme oder Regenfälle die Arbeiten, aber der Regisseur meisterte mit seinem Improvisationstalent die Lage. Unmittelbar vor Drehschluss kam es dann doch noch zu einem Unfall. Nach einer alkoholseligen Party stürzte Farrell und brach sich das Bein. Daraufhin musste der Schauspieler seine Schlussszenen mit abnehmbarem Gips meistern.
Von derart spektakulären Störfällen blieb die Postproduktion verschont. Aber auch sie bescherte Stone schlaflose Nächte. Die Tonmischung gestaltete sich aufwändiger als erwartet. Die Computertricks, mit denen digitale Hintergründe generiert und Statisten multipliziert wurden, waren zwar bewusst begrenzt gehalten, aber Stone verlangte eine solche Perfektion, dass Nacharbeiten fällig wurden. Auch kürzte er die ursprüngliche Schnittfassung um eine knappe halbe Stunde auf rund zwei Stunden 40 Minuten, um das Tempo des Films zu forcieren. Dadurch verzögerte sich wiederum die Fertigstellung des Films um ein paar Wochen. Prompt kursierten Gerüchte, wonach es Streit um den Endschnitt gegeben hätte. Angeblich wollte Warner Bros. Stone zwingen, Szenen, die die homosexuellen Affären Alexanders betonen, zu eliminieren. " Völliger Unsinn" , kontert Bormann. " Was Sie im Kino sehen werden, ist seine Vision." Die wird inzwischen als ein möglicher Oscar-Kandidat gehandelt. Sollten die Auguren Recht behalten, dann tritt ein Sonderfall der Filmhistorie ein: Wann bekommen zwei deutsche Produzenten schon eine Nominierung für den besten Film?
Quelle: Blickpunkt:Film
PS: Schon die Produktion von "Alexander" ist schon eine Geschichte wert. Das läßt auf den Film hoffen! 2 Karten für das Kino an Weihnachten sind schon so gut wie gekauft.
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