Interview: " Gewinnschwelle könnte 2004 erreicht werden" - 02.08.2004 Interview mit Dave Lemus, Finanzvorstand MorphoSys AG
(smartcaps-Redaktion Frankfurt am Main)
Das Biotechnologie-Unternehmen MorphoSys AG legt eine sehr gute Halbjahresbilanz vor. Durch neue Kooperationen mit den Pharma-Riesen Pfizer und Novartis sehen die Verantwortlichen eine neue Dimension in der Unternehmensentwicklung erreicht. Über die momentane Situationen und die Zukunft gibt Finanzvorstand Dave Lemus im smartcaps-Interview Auskunft.
smartcaps: Wie schätzen Sie die Entwicklung der MorphoSys AG in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2004 ein?
Dave Lemus: Sehr positiv, wir haben in dieser Zeit zwei sehr gute Kooperationen mit den Pharma-Konzernen Pfizer und Novartis abgeschlossen. Dadurch konnten wir den Markt für unsere Produkte stark lancieren. Wir haben nun von den zehn größten Pharma-Unternehmen der Welt fünf als Partner. Von den größten 20 sind es sogar acht Unternehmen, die beispielsweise unsere so genannte HuCal Gold Technologie nutzen, die Antikörper-Bibliothek.
Wie sehen Sie die MorphoSys AG im Vergleich zur Branche?
Die Biotechnologie-Branche bessert sich langsam. Doch ich glaube, dass die Entwicklung von MorphoSys darüber liegt. Insgesamt arbeiten heute etwa 11.500 Menschen in Deutschland in dieser Branche, etwa 3000 weniger als 2001. Wir haben in diesem Zeitraum hingegen eingestellt. Aktuell beschäftigen wir 120 Mitarbeiter, zu Jahresanfang waren es noch 95.
Das operative Geschäft scheint also gut zu laufen, wie sieht es auf der finanziellen Seite aus?
Wir haben zwei sehr gute Quartale hinter uns. Beide Mal war das EBITDA positiv, und eines sogar ?net income-positiv?. Durch diese sehr gute Entwicklung konnten wir auch zum Halbjahresstichtag unsere Umsatz-Prognosen für das Gesamtjahr nach oben revidieren. Wir gehen nun von 40 Prozent mehr Umsatz aus.
Der Umsatz ist bereits nach sechs Monaten um mehr als 20 Prozent auf 8,8 Mio. Euro gewachsen. Gleichzeitig wurde der Netto-Verlust um 84 Prozent auf 0,8 Mio. Euro gesenkt. Wie kommt diese Entwicklung zustande?
Wir haben eine deutliche Verbesserung im Umsatz zu verzeichnen. Der Erfolg beruht also auf einer Profit-Steigerung und nicht etwa auf Kostenreduktion, wie bei anderen Unternehmen. Unsere Kosten sind sogar leicht gestiegen, weil wir erneut Personal eingestellt haben. Insgesamt ist die positive Entwicklung aber eine Kombination: Wir haben in 2003 unsere Restrukturierung abgeschlossen und gleichzeitig die Kosten auf eine vernünftige Basis gebracht. In diesem Jahr können wir den Umsatz erhöhen. Allein die Kooperation mit Novartis hat uns etwa neun Mio. Euro an Cash eingebracht.
Der Cashflow ist dadurch ebenfalls gestiegen und liegt nun bei 29 Mio. Euro. Haben Sie weitere Projekte oder gar Akquisitionen im Blick?
Die MorphoSys AG wird zumindest nicht in die klinische Produktentwicklung investieren. Unser Augenmerk liegt eher in Projekten, in denen wir ein schnelles Pay-Back bekommen. Dafür entwickeln wir neue Technologien und erweitern die bereits bestehenden Angebote. Es gibt noch viele Betätigungsfelder für unsere Antikörper-Bibliothek HuCal.
Ein neues Betätigungsfeld ist nun auch der veterinärmedizinische Bereich mit dem Neukunden Novoplant GmbH. Wie weit reicht die Vielfalt der MorphoSys-Produkte?
Wir haben schon heute ein großes Angebot, was den nicht-therapeutischen Bereich betrifft. Andere Segmente sollen folgen. Wir sehen noch Möglichkeiten für unsere Produkte in der Diagnostik oder eben wie bei Novoplant in der Veterinärmedizin. Ein weiterer Schwerpunkt wird zukünftig unsere Angebot ?Antibodys by Design? sein ? passgenaue Antikörper für unsere Kunden herzustellen. Dieser Technologie trauen wir ein großes Wachstumspotenzial zu.
Richten Sie dann den Fokus eher auf die Vermarktung als auf die Entwicklung Ihrer Produkte?
Ja. Die Vermarktung ist zurzeit unser Schwerpunkt, wie man auch an Kooperationen wie der mit Novartis sieht. In der Entwicklung konzentrieren wir uns auf eigene Themen. Momentan haben wir beispielsweise drei Präparate in der Pipeline. Zwei davon sind bereits für die Auslizenzierung bereit. Für eines werden wir im Herbst eine wichtige Studie vorlegen, in der wir einen Vergleich unseres Mittels mit dem des Marktführers ziehen werden. Zudem versuchen wir natürlich schon mit Partner wegen dieser Stoffe ins Gespräch zu kommen. Insgesamt sind wir hier auf einem sehr guten Weg.
Wie bewerten Sie die Entwicklung der MorphoSys-Aktie?
Wir sehen das Unternehmen als unterbewertet an. Es gab in 2003 viele Biotech-Firmen, deren Aktienkurs sich verdoppelt oder gar verdreifacht hat. Und damit fair bewertet wurden. Wir haben bislang an diesem Prozess noch nicht teilgenommen. Eine Trendwende können wir erst seit Beginn dieses Jahres nach den Deals mit Pfizer und Novartis beobachten. Die Aktie hat meiner Meinung nach noch einen erheblichen Spielraum nach oben.
Könnte es vor dem Hintergrund der guten Halbjahresbilanz und der neuen Kunden sogar sein, dass Se noch in 2004 schwarze Zahlen schreiben?
Unsere neue Prognose für den Geschäftsabschluss in diesem Geschäftsjahr ist ein Minus von 1,8 Mio. Euro. Wir schließen nicht aus, wenn wir ein extrem gutes zweites Halbjahr haben, dass wir die Gewinnschwelle erreichen können. Aber das sehen wir erst im Verlauf des Jahres.
Wie ist die Situation bei ihrer amerikanischen Tochtergesellschaft?
Während der Umstrukturierung im vergangenen Jahr haben wir dort den Vertrieb geschlossen und managen das Geschäftsfeld über Deutschland. Dennoch ist die USA der wichtigste Markt für uns, wenn es um die Vermarktung der Produkte geht.
Ist es in den USA einfacher als in Europa, ein entwickeltes Mittel an den Markt zu bringen?
Der bürokratische Aufwand ist ähnlich. In Amerika kommt man aber als Biotech-Unternehmen einfacher an frisches Kapital, um die Entwicklung voran zu treiben. Die Produktion ist natürlich umso leichter, umso mehr Geld man zur Verfügung hat. Der Standort Deutschland ist aber von der wissenschaftlichen und qualitativen Seite her sehr gut für uns. Daran kann auch die Krise nichts ändern, die hierzulande die vergangenen fünf Jahre schwierig machte. Einen solchen Kurscrash gab es vor zwanzig Jahren bereits an der NASDAQ. Und heute investieren die Menschen dort wieder in die Branche. Es dauert eben eine gewisse Zeit, bis die Anleger das Vertrauen in die viel versprechenden Unternehmen wieder gefunden haben. Wo sehen Sie die MorphoSys AG in zehn Jahren?
Wir werden dann die ersten klinischen Produkte auf dem Markt haben. Zudem wird das Unternehmen wesentlich größer sein und die Umsätze werden im Vergleich zu heute deutlich zulegen. Natürlich wollen wir bis dahin auch weitere Vertreter der zwanzig größten Pharma-Unternehmen in unserer Kunden-Datei haben. Wir arbeiten zumindest heute schon hart daran.
Interview: Dominik Ohlig
© smartcaps 2004
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