Wenn man den Gedanken auf Seite 5 des Halver-Interviews (wo er sinngemäß sagt, daß Forderungspapiere wie z.B. Anleihen in den letzten 200 Jahren bereits 5 mal ihren Wert komplett verloren haben, während Aktien überlebt haben) konsequent weiterdenkt, könnte eine Zeitenwende am Kapitalmarkt bevorstehen. Denn die traditionell höhere Aktienrendite im Vergleich zur Rendite von (Staats-)Anleihen hat ja nach üblicher Lehrmeinung ihre Ursache in dem GERINGEREN Risiko der Staatspapiere.
Mal abgesehen davon, dass in den letzten 200 Jahren natürlich auch unzählige Aktien (infolge Konkurs) wertlos geworden sind, könnte man sich tatsächlich überlegen, ob Firmen mit tragfähigem Geschäftsmodell, solider Bilanz und ordentlichem Management nicht die bessere (und auch sicherere) Anlagealternative sind gegenüber Staatspapieren.
Insbesondere wenn man an die heutigen Staaten ähnliche bilanzielle Maßstäbe anlegt wie an große Unternehmen, fällt das Ergebnis ernüchternd aus: Staats-Ausschüttungen regelmäßig höher als Staats-Einnahmen (= negativer Cash-Flow), stattdessn steigende Vershuldung, und auch kein profitables Wachstum in Sicht, und ein nachhaltiges "Geschäftsmodell" (im wirtschaftlichen Sinne) ist ebenfalls nicht erkennbar, während die Staats-Bilanzen (ohne wirkliche Aussicht auf Besserung!) stets am Rande der Überschuldung entlangbalancieren.
Nach diesen Maßstäben müssten gute Aktien eher niedriger rentieren gegenüber Staatsanleihen. Und das hieße, bei 2,5 % (nachhaltiger) Dividendenrendite im Vergleich zu ebenfalls 2,5% (Staats-)Anleihenrendite darf eine Drillisch dann bei 52 ? notieren und eine Freenet bei 54 ?. Wäre dies (perspektivisch gesehen) wirklich so utopisch, wie es auf den ersten Blick scheint?
Und haben Staatsanleihen denn heute wirklich noch eine höhere Sicherheit zu bieten? Bei den südlichen Euroländern hat der Markt die Risiken (z.B. drohende Schuldenschnitte) ja inzwischen zunehmend eingepreist. Aber wer wird denn, angesichts der "alternativlosen" Euro-Retterei, die Schulden der südlichen Euroländer dann in letzter Konsequenz tragen müssen?
Ist also eine deutsche Staatsanleihe überhaupt noch sicherer als eine gute Aktie? Falls nicht, wäre eine Vervielfachung der Aktienkurse (ähnlich wie übrigens zu Beginn der großen Krise ab 1929) zu erwarten. Und dann würden wir keine 8.800 oder 12.000 im DAX mehr diskutieren. Denn schon wenn nur ein kleinerer Teil des (im Verhältnis sehr viel größeren) Anleihemarkts in Aktien umgeschichtet würde, muss dies zwangsläufig zu "explodierenden" Kursen führen. Eine solche Zeitenwende am Kapitalmarkt ist, jedenfalls aus meiner Sicht, zukünftig keinesfalls auszuschließen.
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