Im Reich der Billig-Supermärkte regieren sie als die ungekrönten Discount-Könige. Bis heute bescherte ihr Aldi-Imperium den Brüdern Karl und Theo Albrecht ein Vermögen von 41 Milliarden Mark. Absehbar war er nicht, dieser fulminante Aufstieg der Brüder Albrecht von kleinen Krautern zu "Discountern mondiale". Doch gerade darin liegt ja der besondere Charme veritabler Erfolgsgeschichten: Sie gleichen einem Gipfelsturm aus dem Stand - ohne Netz und doppelten Boden. In diesem Fall sprechen wir am besten von der Ruhrpott-Variante des amerikanischen Traumes. Es sind die viel zitierten einfachen Verhältnisse, unter denen Karl Albrecht, Jahrgang 1920, und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Theodor ("Theo") aufwachsen. Der Vater, ein ehemaliger Bergmann, verdingt sich als schlechtbezahlter Bäcker in einer Brotfabrik, nachdem er sich "unter Tage" eine Staublunge zugezogen hat. Die Mutter unterhält im Essener Arbeiterviertel Schonebeck einen kleinen Lebensmittelladen. Beide Albrecht-Sprösslinge treten nach dem Besuch der Mittelschule in die Fußstapfen der Mutter. Theo absolviert seine Lehre zum Lebensmittelhändler im elterlichen Laden, Karl in einem renommierten Feinkostgeschäft. Der Krieg unterbricht auch ihre Berufslaufbahnen und verschlägt den Jüngeren einstweilen nach Afrika zu einer Nachschubeinheit, der Ältere fristet sein Soldatendasein an der Ostfront. So weit, so unspektakulär.
Wirtschaftswunderjahre nach Aldi-Fasson
Einen ersten Wendepunkt im Leben der beiden Heimkehrer markiert das Jahr der Währungsreform. 1948 schaffen die Brüder Albrecht ihren persönlichen Neuanfang, indem sie die erste eigene Lebensmittelhandlung gründen und diese rasch zu einer kleinen Kette ausbauen. Auftakt einer nachgerade stürmischen Expansion. Denn in den folgenden zehn Jahren werden im gesamten Ruhrgebiet weitere Filialen wie Pilze aus dem Boden schießen: Im Ganzen über 300, die Umsatzschwelle von 100 Millionen Mark wird schon bald überschritten werden. Ihre eigentliche Bestimmung aber finden die "Revier-Höker" erst zu Beginn der sechziger Jahre. In Dortmund eröffnen sie 1962 den ersten Aldi-Markt: Spartanisch eingerichtet, mit einem stark gestrafften Warenangebot und konkurrenzlos niedrigen Preisen. Ohne Wenn und Aber verschreiben sich Karl und Theo von nun an der Discount-Idee ("Albrecht-Discount") und mutieren zu den "Billigheimern der Nation" - pardon, zum preiswertesten Wettbewerber der Republik. Denn hohe Qualität für wenig Geld zeichne Aldi aus, bestätigen nicht nur Blindverkoster und Warentester, sondern lassen auch die Albrechts ihrer stetig wachsenden Kundenschar kolportieren - von der sie sich im Übrigen rigoros abschotten.
Die Publikumsabstinenz der Brüder, ihre Verschwiegenheit, wenn es ums Geschäft, gar um Zahlen geht, sind mindestens so legendär wie ihre Dumping-Preise. Dabei seien die Albrechts durchaus nahbare und zuvorkommende Menschen, korrekt und höflich, leicht im Gespräch, wie der frühere Aldi-Manager Dieter Brandes zu berichten weiß. Den Gedanken - sollten sie denn je mit ihm gespielt haben - diese Haltung nach außen zu tragen, verwerfen sie spätestens 1971, als Theo Opfer einer Entführung wird. Das Drama dauert 17 Tage und findet erst mit der Zahlung von sieben Millionen Mark Lösegeld ein halbwegs glimpfliches Ende.
Mit Aldi um die halbe Welt Die Protagonisten der Aldi-Story ziehen sich anschließend vollends in den Hintergrund zurück, während sich ihr Unternehmen unter den Augen der Öffentlichkeit kontinuierlich zum Global Player entwickelt. Nicht nur in Deutschland, das sie Anfang der sechziger Jahre in eine Nordhälfte unter der Obhut Theos und eine Südhälfte unter der Leitung Karls aufgeteilt haben, bauen sie das Filialnetz auf bis heute über 3500 Läden aus. Parallel dazu expandieren sie ins europäische Ausland ebenso wie in die USA und zuletzt nach Australien. Dank einer neuen Offenlegungspflicht wissen Konkurrenten und andere Interessierte unterdessen sogar recht genau, wie viel Geld die Albrechts in ihrem Handelsimperium umsetzen: Weltweit stolze 31,9 Milliarden Euro, die ihnen im Jahr 2000 Hochrechnungen zufolge einen Gewinn von gut 500 Millionen Euro beschert haben sollen.
Inzwischen hat Karl die operative Führung von Aldi Süd an familienfremde Manager abgegeben. Bei Aldi Nord dagegen hält Theo - notgedrungen - nach wie vor alle Fäden selbst in der Hand: Im Gegensatz zum großen Bruder hat er es versäumt, rechtzeitig geeignete Nachfolger aufzubauen. Theo hat also noch eine Weile zu tun, ehe der leidenschaftliche Golfer sich dem gemeinsamen Hobby so intensiv widmen kann wie Bruder Karl.
spiegel.de
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