Hunderttausende Robbenbabys hat Kanada zur Tötung freigegeben. Die Fischer verkaufen Pelz und Öl, Tierschützer kämpfen seit Jahren erbittert gegen die Jagd.
Von Gisela Ostwald
Trotz internationaler Proteste haben kanadische Fischer pünktlich mit dem ersten Tageslicht am Samstag auf den Eisschollen im St. Lorenz-Strom ihre blutige Jagd auf Robbenbabys begonnen. 335.000 Tiere, kaum eines älter als drei Monate und viele gerade erst 20 Tage alt, und 10.000 so genannte Klappmützen dürfen in diesem Frühjahr getötet und gehäutet werden. Ihr Pelz und Öl bescherten den industriearmen Provinzen an Kanadas Atlantikküste im vergangenen Jahr rund 12,1 Millionen Euro. Tierschutzorganisationen kritisieren, dass wehrlose Jungtiere auf grausame Weise erschlagen und nicht selten bei lebendigem Leib gehäutet würden.
Ottawa verteidigt seine Entscheidung, an der Jagd festzuhalten und die Fangquote sogar noch zu erhöhen, mit der schnell wachsenden Robbenpopulation. «Unglücklicherweise sind wir selbst zum Opfer einer internationalen Propagandakampagne geworden», bedauerte der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper in heimischen Medien. «Wir sind überzeugt, dass unser Land verantwortungsbewusst handelt, und werden die Durchsetzung aller Vorschriften überwachen.»
Warnungen des Internationalen Tierschutz-Fonds (IFAW), dass die hohe Fangquote den Bestand der Robben gefährden könnte, weist das Fischereiministerium in Ottawa zurück. Seiner Schätzung nach leben knapp sechs Millionen Robben auf dem Packeis vor Kanadas Nordostküste.
Robbenschießen
Der IFAW fürchtet, dass schon der milde Winter den Robbenbestand gefährdet hat. Robben bräuchten stabiles Eis, um ihre Jungen aufzuziehen. Vermutlich sei ein Teil des Nachwuchses ertrunken. Außerdem werden die Fischer wegen der dünnen Schollen einen Großteil der Robben vom Schiff aus schießen, erklärte der Meeresbiologe und Leiter des IFAW Deutschland, Ralf Sonntag, am Freitag. «Dabei verletzen sie viele Tiere nur. Diese können sich oft noch ins Wasser flüchten, wo sie dann aber verbluten».
Sonntag wollte das Robbenschlachten am Wochenende zusammen mit der Bundestagsabgeordneten Bärbel Höhn (Grüne) beobachten. Die Vorsitzende des Bundestag-Agrarausschusses kritisierte: «Dass im 21. Jahrhundert immer noch so ein Gemetzel stattfindet, ist eine Schande. Auch in Deutschland müssen wir unseren Beitrag leisten, um diese Jagd zu beenden.» Die Grünen fordern zusammen mit dem IFAW von der deutschen Bundesregierung ein nationales Handelsverbot für alle Robbenprodukte. Nach einer aktuellen Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des Tierschutz-Fonds würden drei Viertel der deutschen Bevölkerung ein solches Verbot befürworten, betonte der IFAW.
McCartney und Bardot protestieren
«Wir sind erschüttert, dass 325.000 Sattelrobben, fast ausnahmslos wehrlose Jungtiere, erschlagen und erschossen werden dürfen», bedauerten Ex-Beatle Sir Paul McCartney und seine Frau Heather in einem Video aus London. Es wurde am Freitagabend von der Tierschutzorganisation Humane Society veröffentlicht. «Warum macht die kanadische Regierung nicht endlich Schluss mit dieser grausamen und unnötigen Tradition» und entschädige die Fischer für ihren finanziellen Verlust, fragte das Paar. Auch die französische Schauspielerin Brigitte Bardot hat vor Ort ihre Stimme erhoben. «Bevor ich sterbe, will ich, dass dieses Massaker ein Ende hat», sagte Bardot nach Berichten kanadischer Medien. Die Filmdiva, 71-jährig und auf Krücken angewiesen, war nach Ottawa geflogen, um mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Stephen Harper und Fischereiminister Loyola Hearn zu sprechen. Keiner der beiden nahm sich jedoch Zeit für sie.
Etliche Einwohner der industriearmen Atlantik-Provinz Neufundland leben vom Verkauf der Robbenfelle, deren Preis in den vergangenen Jahren auf das Zehnfache gestiegen war. Er lag nach Angaben kanadischer Medien im vergangenen Jahr bei 50 bis 70 Euro. Eine weitere Einnahmequelle ist das Öl, das aus den Tieren gewonnen wird. (dpa)
(NZ)
|