News - 24.11.06 10:02 Offshore-Windparks geht die Luft aus
Die Windkraftnutzung im offenen Meer steht vor hohen technischen und genehmigungsrechtlichen Hürden. 40 Offshore-Windkraftanlagen sind geplant, doch mit der Umsetzung der Projekte hapert es. Nun torpediert auch noch der Bundesrat die Offshore-Windkraft.
BERLIN. Die Länderkammer will am heutigen Freitag die vom Bundestag bereits beschlossene Netzanschlussregelung für Windkraftanlagen auf hoher See kippen. Die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung zum Ausbau erneuerbarer Energien rücken damit in weite Ferne.
Die Liste der Projekte ist lang. In der Nordsee sind derzeit 31 Offshore-Windkraftanlagen geplant, in der Ostsee weitere neun. Mit der Umsetzung der Projekte hapert es jedoch. Noch dreht sich in Deutschland kein einziges Windrad auf hoher See. Lediglich zwei Anlagen - eine bei Emden, eine bei Rostock - stehen im Wasser, sind aber nur wenige Meter von der Küste entfernt und damit keine echten Offshore-Projekte.
"So wie es jetzt aussieht, kann die Bundesregierung ihre ehrgeizigen Ausbauziele nicht erreichen", sagt Matthias Hochstätter vom Bundesverband Windenergie. In ihrer Koalitionsvereinbarung hatten Union und SPD das Ziel definiert, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung, der derzeit bei etwa elf Prozent liegt, "bis 2020 auf mindestens 20 Prozent" zu steigern.
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht den Anteil der Erneuerbaren bis 2020 sogar bereits bei bis zu 25 Prozent. Motor des Wachstums ist bei allen Prognosen stets die Nutzung der Windenergie auf hoher See. Insbesondere durch die Entwicklung im Offshore-Bereich "wächst die Dominanz der Windstromerzeugung weiter", heißt es in einer Ende vergangenen Jahres präsentierten Untersuchung, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie im Auftrag des Bundesumweltministeriums angefertigt hatten.
Doch diese Prognose erscheint Fachleuten kühn. "Die Politik hat sich in der Vergangenheit zu optimistisch gezeigt. Man hat die Kosten und die technischen Probleme unterschätzt", sagt Claudia Kemfert, Energie-Expertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Tatsächlich ist es in Deutschland besonders schwierig, Offshore-Windkraftanlagen zu bauen. Hier zu Lande müssen die Windparks vor allem aus Naturschutzgründen in einer Entfernung von 30 bis 100 Kilometern und in bis zu 40 Meter tiefem Wasser errichtet werden. Die Anforderungen an die Statik und die Fundamente, aber auch der Aufwand für die Kabelverbindung bis zum Festland und die Wartung sind enorm hoch.
Es gibt erst ein Konsortium, das sich diesen Herausforderungen stellt: 45 Kilometer vor Borkum wollen Vattenfall, Eon und EWE bis 2008 eine Anlage realisieren. Es wäre die erste ihrer Art in Deutschland. Allerdings steht die kommerzielle Nutzung hier nicht im Vordergrund. Man treibe das Vorhaben voran, um Erkenntnisse für künftige Projekte zu gewinnen, sagt Jörg Buddenberg. Auch der EWE-Projektleiter warnt davor, beim Ausbau der Offshore-Windenergie-Nutzung die Wünsche zu hoch zu schrauben. Mit der Anlage vor Borkum betrete man hinsichtlich der Entfernung vom Festland, der Gründungstiefe und der Anlagengröße Neuland: "Die Kombination gibt es sonst noch nirgendwo."
Rückenwind hatte sich die Branche von einer Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes erhofft, auf die sich die große Koalition Ende Oktober verständigt hatte. Demnach sollen die Betreiber der großen Übertragungsnetze die Anbindung der Anlagen ans Stromnetz bezahlen. Nach geltender Rechtslage müssen die Betreiber die Kosten für die Verkabelung selbst tragen. Die Kosten für die Netzanbindung machen bis zu 30 Prozent der gesamten Investition in eine Offshore-Anlage aus. Die Windenergie-Branche hatte sich von der geplanten Gesetzesänderung gehörigen Schub für Offshore-Projekte erhofft. Die Netzbetreiber dagegen waren alarmiert. Sie rechnen mit deutlich steigenden Netzentgelten für alle Stromverbraucher. Offenbar ist es ihnen gelungen, mehrere Länder von ihren Bedenken zu überzeugen. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und NRW wollen bei der Bundesratssitzung am Freitag den Vermittlungsausschuss anrufen.
Ein Rückschlag bei der Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes könnte die Bundesregierung an anderer Stelle in die Bredouille bringen. Wenn es mit der Windkraft nicht vorangeht, gefährdet das die Klimaschutzziele der Bundesregierung. "Derzeit werden verstärkt Kohlekraftwerke geplant. Dadurch werden hohe Kohlendioxidemissionen zementiert. Auf diesem Wege werden sich die Klimaschutzziele nicht erreichen lassen. Die Politik muss daher dafür sorgen, dass es zum Ausgleich mit dem Ausbau der Windenergie vorangeht", sagt DIW-Expertin Kemfert. Nach ihrer Einschätzung würde selbst die Erleichterung beim Netzanschluss nicht ausreichen der Offshore-Windkraft nicht zum Durchbruch verhelfen. Die DIW-Expertin fordert zusätzliche Anreize in Form höherer Einspeisevergütungen. Tatsächlich arbeiten europäische Nachbarländer mit höheren Einspeisevergütungen. Daher drehen sich vor den Küsten Dänemarks, der Niederlande, Schwedens, Irlands und Großbritanniens etliche Windräder - allerdings überwiegend in geringen Entfernungen zum Festland.
Quelle: Handelsblatt.com
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