Wolfgang Schüssel ist der Größte. Er hat seiner Partei einen Zugewinn von mehr als 15 Prozentpunkten beschert und sie in einem knapp zehn Wochen langen Wahlkampf an die Spitze katapultiert. Seine Strategie, die alles auf seine Person als Garant für Stabilität und Kontinuität zuschnitt, ist voll aufgegangen. Seine Warnung vor rot-grünen Belastungswellen im Lichte des deutschen Vorbilds schlugen ein. Mit Tiefschlägen und regelrechten Verleumdungen der Opposition wurde im Wahlkampf nicht gespart. Schüssel hat sich als Machtmensch bewiesen, der alles auf eine Karte setzen und gewinnen kann.
Allerdings hat er bei seinem Weg an die Spitze viel Porzellan zerschlagen und es verabsäumt, ein persönliches Vertrauensverhältnis zu den anderen Parteichefs oder deren mögliche Nachfolger aufzubauen. Da konnte er im Wahlkampf tausendmal versichern, er lasse sich für die Regierungsbildung alle Optionen offen. Rechnerisch sind zwar alle Koalitionsvarianten möglich, doch stellt sich die Frage, ob die ÖVP wirklich den Partner bekommt, den sie sich wünscht. Oder ob sie überhaupt einen Partner findet.
Jörg Haider, dessen Regierungsmannschaft in den letzten Jahren immer wieder von Schüssel über den Tisch gezogen wurde, wird keine Empfehlung für eine Neuauflage von Blau-Schwarz abgeben, obwohl das Wahlergebnis in diesem Sinne ausgelegt werden könnte: ein Votum für einen Rechtsblock mit einer gezwergten FPÖ. Für Alfred Gusenbauer wäre es eine Demütigung, als Juniorpartner in eine Koalition zu gehen, wo er nur verlieren kann. Und Alexander Van der Bellen, sollte er unerwartet den Schalmeientönen aus der ÖVP nachgeben wollen, würde von der grünen Basis sofort zurückgepfiffen werden.
Jetzt muss sich zeigen, ob sich in der SPÖ der Königsmörder findet, der Gusenbauer stürzt und die Partei wieder nach rechts und in den Schoß der ÖVP führt. Andernfalls stünde Wolfgang Schüssel nach der ersten Sondierungsrunde so einsam da wie vor drei Jahren der Sozialdemokrat Viktor Klima, der als Chef der stimmenstärksten Partei keinen Regierungspartner fand. Allerdings läuft Schüssel nicht Gefahr, dass hinter seinem Rücken eine andere Mehrheit gebildet wird. Trotzdem bliebe dem Garanten für Stabilität und Kontinuität dann nur die instabilste aller Regierungsformen - nämlich die Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheit von Fall zu Fall suchen muss. Zu beneiden ist der strahlende Sieger nicht.
|