AWD droht Massenklage
Ex-Minister wirft Finanzvertrieb falsche Beratung vor
HANNOVER (rtr). Dem Finanzdienstleister AWD drohen weitere 200 Schadenersatzklagen von Anlegern wegen seines ehemaligen Dreiländerfonds DLF 94 / 17. Eine Anwaltskooperation, bei der der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) eine führende Rolle spielt, kündigte einen Tag vor der heutigen Bilanzpressekonferenz des AWD an, vor den Kadi zu ziehen, nachdem eine außergerichtliche Einigung gescheitert sei. In mindestens 200 Fällen werde die Gruppe wegen falscher Anlageberatung Klage einreichen, heißt es in einer Mitteilung.
Der vom AWD und anderen Anbietern vertriebene und empfohlene Dreiländerfonds - ein von der Stuttgarter Firma Kapital Consult aufgelegter, geschlossener Immobilienfonds - ist bereits seit mehreren Jahren Anlass gerichtlicher Auseinandersetzungen. Der Fonds war durch die Insolvenz des Musicalveranstalters Stella, den er finanziert hatte, in Schwierigkeiten geraten. Er schüttete keine Gewinne mehr an die Anleger aus, der Wert der Anteile sank erheblich.
In zwei Fällen wurde der AWD vom Oberlandesgericht (OLG) Celle zu 64 000 Euro Schadenersatz verurteilt. Dagegen hatte die Vertriebsgesellschaft aus Hannover Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt, über die noch nicht entschieden ist.
Die Aussage Baums, das bereits 400 Klagen anhängig seien, wies der AWD zurück. Seinen Angaben zufolge geht es derzeit um 50 Fälle mit einer Schadenssumme von weniger als drei Millionen Euro. Die Zahl von 200 Anlegern, die Baum vertreten wolle, kann das Unternehmen nicht nachvollziehen. Es sei lediglich in Einzelfällen zur außergerichtlichen Einigung bereit, aber nicht generell, wie Baum das wünsche, sagte ein Sprecher.
Das OLG Celle kam in beiden Fällen zu dem Schluss, dass die jeweiligen AWD-Berater fehlerhaft agierten. Sie hätten nicht ausreichend auf die mit der Anlage im Dreiländerfonds verbundenen Risiken hingewiesen und ausschließlich dieses Vehikel empfohlen, anstatt für eine Streuung der Anlagen zu sorgen. Der AWD wies seinerzeit darauf hin, dass das Gericht kein generelles Versäumnis des Finanzdienstleisters gesehen habe.
Der vom OLG Celle zugebilligte Schadenersatz für die Investoren umfasste nur einen Teil des Anlagevolumens. Gewinnausschüttungen und Steuerersparnisse wurden eingerechnet. In einem Fall wurde vom Gericht die Hälfte, im anderen ein Drittel des geltend gemachten Schadens anerkannt.
(Frankfurter Rundschau, 4. April 2003)
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