11.09.2004 «Wir warten auf den Stellenabbau» Alstom Schweiz Der Auftragseingang ist unbefriedigend, es gibt keine Entwarnung
Peter K. Sonderegger
Die Hiobsbotschaft kam am 16. Juni: «Einige hundert Stellen müssen als gefährdet bezeichnet werden», hiess es damals (MZ vom 19. 6.). Die Planungsphase sei angelaufen. Der Entscheid wurde auf den Spätsommer in Aussicht gestellt. Der Spätsommer ist da. Wie stehts um den Abbau? «Es ist verdächtig ruhig. Aber es würde mich überraschen, wenn nichts kommen sollte», sagt Andreas Vock, Präsident «Angestellte Alstom Power». Das Signal vom 16. Juni sei deutlich genug gewesen. Und am Markt habe sich seither leider nicht viel geändert. Das «Gerüchte-Chaos» drehe sich um die Frage, wo wie viel gestrichen werde, sagt ein Kadermann. «Wir warten auf den Abbau.» Die Stimmung sei entsprechend gedrückt. Besonders deutlich dort, wo die Auslastungslücken am deutlichsten sind: im Engineering und in der Projektabwicklung. Das Servicegeschäft hingegen läuft gut, und die Fabriken sind bisher noch gut ausgelastet.
Alstom-Schweiz-Chef Walter Gränicher bestätigt die Befürchtungen seiner Mitarbeiter. Am unbefriedigenden Auftragseingang habe sich leider nichts geändert. «Es gibt keine Entwarnung. Wir sind mit Neuaufträgen weiter und dem Budget und unter unseren Erwartungen», so Gränicher. Aber was heisst das? «Es ist klar, dass wir mit den Kapazitäten etwas machen müssen.» Das schlecke keine Geiss weg. Zu konkreten Zahlen will sich der Alstom- Schweiz-Chef jedoch nicht äussern. «Wir sind mit der entsprechenden Planung kurz vor dem Abschluss», so Gränicher. Der Entscheid falle auf jeden Fall in den nächsten Wochen. Die positiven Nachrichten aus Asien reichen also nicht für eine Neubeurteilung. Dort hatten Zeitungen über einen «Letter of Intent» für die Lieferung von vier Gasturbinen GT 26 für einen thailändischen Kunden berichtet. Auch in Nordafrika/Nahost stehen die Aussichten recht gut. Ein weiterer Schlüsselauftrag für die nach jahrelangen Kalamitäten auf Vordermann gebrachte GT 24/16 ist aber bekanntlich bachab gegangen. Die EGL hat Anfang Juni mitgeteilt, dass die Axpo-Tochter für das erste unter EGL-Regie zu bauende italienische Gas-Dampf-Kombikraftwerk in Sparanise (Campagnia) an die italienische Ansaldo vergeben hat. Dieser Entscheid der Axpo-Gruppe hatte im Aargau kräftig Staub aufgewirbelt. Am letzten Donnerstag (MZ vom 10. 9.) hatte die Kantonsregierung über ein gemeinsames Gespräch der Regierungsräte Kurt Wernli und Peter Beyeler mit Walter Gränicher und den Axpo- und EGL-Chefs Heinz Karrer und Emanuel Höhener berichtet. Sinn des Gesprächs war, die Wogen zu glätten. Alstom akzeptiere den Entscheid und die EGL sei bereit, «weiteres konstruktives Feedback» bezüglich des abgelehnten Angebots zu geben, schreibt die Kantonsregierung. Die EGL bestätige zudem, dass «noch kein Entscheid für die Vergabe weiterer Projekte gefällt wurde». Das aber ist nicht der Punkt. Entscheidend ist, ob die EGL mit ihrem ersten Projektentscheid zugunsten von Ansaldo einen Flottenentscheid für ihre weiteren Italienprojekte vorweggenommen hat oder ob Alstom bei neuen Ausschreibungen eine neue Chance bekommt. Die EGL bestätigt lediglich, dass ein weiteres Kraftwerk über die Baugenehmigung verfügt und dass zwei weitere Projekte bestehen. Unter Brancheninsidern gibt es zwei Meinungen: Die einen betonen den Vorteil einer einheitlichen Ausrüstung für den künftigen Kraftwerkbetrieb. Andere verweisen auf erfolgreiche Stromerzeuger, die bewusst auf mehr als nur einen Lieferanten setzen. Entscheiden ist jetzt, ob die EGL die nächsten Kraftwerkprojekte überhaupt ausschreibt. «Vonseiten der Regierung wurde der Wunsch geäussert, dass der Alstom bei weiteren Ausschreibungen Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots gegeben werden soll», schreibt die Aargauer Regierung. Die Frage ist eher, ob die Verwaltungsräte der kantonal beherrschten Axpo/EGL-Gruppe die die Kraftwerk-Investitionen letztlich absegnen müssen, so etwas allenfalls sogar verlangen wollen.
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