Dank Sarkozy: Alstom ist überall
Deutschland - Frankreich Die Industriepolitik der Grande Nation belastet das Verhältnis
Frankreichs industriepolitische Alleingänge belasten das deutsch-französische Verhältnis. Superminister Wolfgang Clement und Wirtschafsminister Nicolas Sarkozy wollen Beziehungen verbessern.
Martina ohm, Berlin
Mehrfach hatte man sich vertagt. Am vergangenen Samstag dann trafen sich die Superminister Clement und Sarkozy überraschend in Paris, am Montagabend erneut in Berlin, um ihren Streit zu beenden. Gemeinhin lässt Gerhard Schröder nichts auf seine enge Freundschaft zu Frankreich kommen. Im Frühsommer aber war der Kanzler stocksauer. Nicolas Sarkozy, Frankreichs ambitionierter Wirtschafts- und Finanzminister, hatte mit seinen massiven Interventionen im Falle Alstom das deutsch-französische Verhältnis arg strapaziert. Als «extrem nationalis-tisch» kritisierte Schröder die brüske Haltung des Franzosen. Sarkozy, der sich als Nachfolger Chiracs 2007 wärmstens empfiehlt, hatte sich klar gegen eine Beteiligung von Siemens an der Übernahme von Töchtern des angeschlagenen französischen Industriekonzerns Alstom gestellt.
Alstom ist kein Einzelfall. Schon bei der Übernahme des deutsch-französischen Pharmakonzerns Aventis durch die französische Sanofi-Synthélabo lief alles nach der Regie aus Paris. Die Schweizer Novartis kam nicht zum Zuge. Dass die Franzosen zumeist zuerst an sich denken, kommt in Berlin schlecht an. Die unterschiedlichen Ansätze in der Industriepolitik werden vor allem im Bundeswirtschaftsministerium mit grösster Skepsis verfolgt. So auch die jüngste Idee Sarkozys, einen deutsch-französischen Werftenverbund nach dem Vorbild des euro-päischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS aus der Taufe zu heben. In Berlin wird geargwöhnt, dass Sarkozy auf diese Weise elegant die defizitären Werftenteile von Alstom unterbringen möchte. Für die Deutschen, die bei der Konsolidierung der Branche - mit dem neuen Werftenverbund unter dem Dach von ThyssenKrupp eben begonnen - die Zügel in der Hand behalten wollen, wäre das ein deutliches Risiko. Kein Wunder, dass das Verhältnis zwischen den beiden Superministern als ziemlich unterkühlt gilt. Offiziell ist davon freilich keine Rede. «Wie Sie wissen, sind wir uns in Sachen Indus-triepolitik auf der europäischen Ebene weitgehend einig», wiegelte Wirtschaftsminister Clement am Montag ab und erinnerte an die gemeinsame Initiative zur Renaissance der Industriepolitik. Mit vernünftigen und fairen Wettbewerbsbedingungen, wie er bemüht beiläufig erklärte. Von Harmonie freilich ist bislang nur wenig zu merken. Wie unterschiedlich die wirtschaftspolitischen Vorstellungen tatsächlich sind, hatte sich zuletzt in der vergangenen Woche gezeigt. Den hohen Ölpreisen begegnet Sarkozy jedenfalls mit niedrigen nationalen Mehrwertsteuersätzen und branchenspezifischen Hilfen (siehe auch Seite 15). Der Bundeswirtschaftsminister schliesst entsprechende Massnahmen, die im Kreis von EU-Diplomaten als populistische Antwort auf den Protest französischer Spediteure, Fischer und Landwirte belächelt werden, für Deutschland kategorisch aus. Auch darum wurde wohl nicht an die grosse Glocke gehängt, dass Clement am vergangenen Samstag vorzeitig nach Paris geflogen ist. Mal eben zum gemeinsamen Mittagessen mit Sarkozy in dessen Privatwohnung. «Herzlich», liessen die Franzosen prompt wissen, sei die Begegnung verlaufen, was übersetzt so viel heisst wie: problem- und lösungsorientiert. Am heutigen Dienstag finden schliesslich in Berlin bilaterale Regierungskonsultationen statt. Da soll unnötiger Streit frühzeitig vermieden werden. Zum Treffen mit Sarkozy am Vorabend sagte Clement: «Ich glaube, dass wir zu einer sehr vernünftigen Gestaltung der Zusammenarbeit kommen.» Clement weiss: Die Zeit arbeitet für ihn. Schon im November gibt Sarkozy sein Ministeramt ab, um den Vorsitz der konservativen Union pour Mouvement Populaire (UMP) zu übernehmen.
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