Badische Zeitung vom Dienstag, 9. Juli 2002
In der Krise liegt die Chance Insolvente Brain International will noch im Sommer einen Investor gewinnen und weitermachen
Von unserem Mitarbeiter Heinz Siebold
FREIBURG/BREISACH. Den Gang zum Insolvenzrichter konnte er nicht vermeiden, doch weil er an die Zukunft des Unternehmens glaubt, verhandelt der Vorstand der Breisacher Softwarefirma Brain International AG weiter mit potenziellen Investoren. Gegenüber der Badischen Zeitung äußerten sich Vorstandsvorsitzender Hans-Peter Eitel und Finanzvorstand Winfried Adam erstmals öffentlich nach dem Insolvenzantrag.
"Die schwache Binnenkonjunktur hat uns voll getroffen und die Liquiditätsbasis schnell aufgezehrt", resümiert Eitel, seit zwei Jahren Vorstandsvorsitzender. "Nur" sieben Millionen oder 13 Prozent Umsatz weniger als geplant, haben ausgereicht, um den Hersteller für betriebswirtschaftliche Software in die Zahlungsunfähigkeit zu treiben. "Wir konnten bei unserem Hauptkostenblock Personalaufwand nicht schnell genug reagieren, das deutsche Arbeitsrecht ist für solche Situationen zu starr", meint Vorstandschef Eitel.
In den USA dagegen hat Brain seine Tochter binnen eines Jahres unter anderem mit Personalabbau wieder in die schwarzen Zahlen gebracht. "Wir wollen deshalb nicht dem `hire and fire` das Wort reden", schränkt Eitel ein, doch mehr Flexibilität wäre auch hier zu Lande wünschenswert. "Wir haben zu viele Standorte, die innerbetriebliche Abläufe zu aufwändig gestalten. Da muss sich was ändern", sagt Eitel. Er weiß aber auch, dass eine Firma, die Software mit großem Aufwand einführt, wartet und über viele Jahre betreut, für diese Arbeiten auch eine Menge qualifiziertes Personal braucht.
Den Personalhöchststand von 1400 hat man seit 2000 wieder auf 900 zurückgeführt. Ein rigoroser Kahlschlag wäre jetzt, so Betriebsratsvorsitzender Thomas Koch-Doetsch "nicht zu kommunizieren gewesen". Die Personalvertretung macht dem Management keine grundlegenden Vorwürfe, was die Firmenpolitik angeht.
Hat man aber nicht in den Anfangszeiten zu sorglos auf Expansion gesetzt? "Die Stimmung in der ganzen Branche war euphorisch", erinnert sich Finanzvorstand Adam. Diese Zeiten sind vorbei, die Budgets der Kunden sind kleiner geworden, viele zögern mit Neuinvestitionen, Updates werden nach Möglichkeit vermieden.
Wie will Brain sein Liquidität wieder herstellen? "Es geht jetzt nicht mehr um einen Überbrückungskredit", räumt Adam ein, "jetzt geht es entweder um einen Finanzinvestor oder um einen strategischen Investor." Und das brauche Zeit, bis sich einer entschließe. "Das ist ganz normal, da wird gründlich geprüft, aber wir haben jetzt Luft gewonnen", beteuert Eitel. Drei Monate lang werden die Gehälter vom Arbeitsamt gezahlt. Bis September will und muss Brain also den neuen Investor gefunden beziehungsweise. überzeugt haben.
Es ist ein wenig wie Brautschau, die durchaus attraktive Braut ist zwar ein wenig unpässlich, hat aber eine stattliche Mitgift: "Es kommt darauf an", sagt Eitel, "dass der Investor den strategischen Wert der Firma erkennt und die Chance, die eine finanzielle Stabilität für Brain bedeuten würde." Wer die Bewerber sind, die derzeit in Breisach vorsprechen, wird aus nahe liegenden Gründen geheim gehalten, doch es sind offensichtlich nicht nur Banken, sondern auch Wettbewerber, die Brain gerne übernehmen würden.
Macht Hoffnung!!!
Gruss Star 2002
P.S.
Auch das hört sich gut an:
Blumenthal verwaltet Brain Vorläufige Insolvenz
BREISACH (gz). Das Freiburger Amtsgericht hat gestern für die Breisacher Softwarefirma Brain International die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und den Steuerberater Reinhard Blumenthal aus Waldkirch zum Insolvenzverwalter bestimmt. Dies erklärte Richter Carl Soergel auf Anfrage der BZ.
Blumenthal wird laut Soergel zunächst "die ganze Sache sichten und schauen, ob er irgendwo Geld bekommt, um die Firma weiter zu führen". Anschließend werde er ein Gutachten erstellen, in dem die Zukunftschancen von Brain beleuchtet werden.
Ziel des vorläufigen Insolvenzverfahrens ist es nach Angaben von Uwe Taeger, Pressesprecher von Brain, "das Unternehmen als Ganzes zu erhalten und seine Zerschlagung in Einzelteile zu verhindern". Sowohl die Gehälter der Mitarbeiter als auch die Betreuung der Kunden sei für die nächsten drei Monate gesichert. Die Verhandlungen mit Investoren würden weiter geführt.
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