Quelle: Kieler Nachrichten
Deutscher Markt liegt so gut wie brach - Unternehmen prüft Schadenersatzansprüche auch gegen Schleswig-Holstein
JAXX findet sein Glück im AuslandAltenholz/Hamburg - Dass ein Unternehmen seinen zehnten Geburtstag feiern kann, ist ein schöner Erfolg, aber keine Sensation. Im Fall der JAXX AG mit Sitz in Altenholz ist die Sache doch ein wenig anders gelagert. Denn der Internet-Glückspielanbieter hat nicht nur den Zusammenbruch der New Economy Anfang des Jahrzehnts überlebt, sondern auch den neuen Glückspielstaatsvertrag, der dem JAXX-Geschäft auf dem Heimatmarkt faktisch die Grundlage entzog. A A A
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Ulrich Metschies | kn | 31.07.2009 17:09 Uhr aktualisiert: 12:33 Uhr
Bilder werden geladen. Bitte warten. Baut auf Wachstum in Europa: JAXX-Chef Mathias Dahms. Foto: KN-online.de Bild vergrößern Baut auf Wachstum in Europa: JAXX-Chef Mathias Dahms. Foto: KN-online.de
Das Ambiente ist nobel: „Artusrunde“ heißt der Saal im Herrenhaus Altenholz. Ganz entspannt sitzt Mathias Dahms (47) an einem Tisch, an dem locker eine Ritterrunde Platz finden würde. Dahms ist kein Ritter, aber kämpfen musste er oft in seinem Geschäft. Doch heute interessiert es ihn nicht mehr, auf wie vielen „Todeslisten“ sein Unternehmen landete, nachdem es als fluxx.com AG 1999 mit großen Plänen an die Börse ging - und wie fast alle „dotcoms“ tief und immer tiefer in die roten Zahlen schlitterte. Heute kann der Vorstandsprecher der JAXX AG über die wilden Zeiten nur lächeln: „Es gibt uns noch, und wir sind erfolgreicher denn je.“
Auf das aus Sicht privater Glückspielanbieter kartellrechtswidrige Eingreifen des Staates in den Markt reagierte JAXX mit einem radikalen Strategieschwenk: Weg vom Heimatmarkt, hin zum Geschäft mit Glücksspiel und Sportwetten im weitaus liberaleren europäischen Ausland. Über Jahre war die Online-Vermittlung von Lottoprodukten in Deutschland für JAXX der wichtigste Umsatzbringer. Seit Anfang dieses Jahres ist genau dieses Geschäft in Deutschland verboten. Auch der von JAXX mit Millionen-Aufwand gestartete Lottovertrieb über Supermärkte, Tankstellen und Drogerieketten ist - von vereinzelten Ausnahmegenehmigungen abgesehen - illegal. Konsequenz für das Unternehmen in der Bilanz für 2008: Sonderabschreibungen und Wertberichtigung in Höhe von 15 Millionen Euro und 16,9 Millionen Euro Konzernverlust. Doch diese Zahlen sind weder für Dahms noch für seinen Vorstandskollegen Stefan Hänel (41) Ausdruck eines defizitär arbeitenden Unternehmens, sondern lediglich bilanzielle Spuren staatlich verordneter Wettbewerbsbeschränkung. „Wir haben aufgeräumt und starten durch“, sagt Hänel. Auch ohne die Vermittlung von Spieleinsätzen an deutsche Lottogesellschaften sieht sich das Unternehmen auf profitablem Wachstumskurs: Der Konzernumsatz stieg im ersten Quartal um 3,7 Prozent auf 29,3 Millionen Euro. Den Löwenanteil der Erlöse - fast zwei Drittel - liefern inzwischen die rasant wachsenden Sportwetten, 14 Prozent steuern die Pferdewetten bei und nur noch 13 Prozent stammen aus dem Lottogeschäft, das JAXX derzeit ausschließlich in Spanien betreibt. Trotz widriger Rahmenbedingung fährt das Unternehmen schwarze Zahlen ein und sieht sogar - erstmals in seiner Geschichte - die Dividendenfähigkeit in greifbarer Nähe. Ein Konzerngewinn von 90000 Euro im ersten Quartal ist zwar nicht berauschend, doch vergleicht man ihn mit dem Verlust von 520000 Euro im gleichen Zeitraum des Vorjahres, dann wird deutlich, wie groß die geschaffte Wegstrecke ist. Der Wegfall von Provisionserträgen in Deutschland konnte durch neue Wettprodukte der britischenAuslandstöchter Tochter JAXX UK Ltd. und Ausweitung von Angeboten anderer ausländischer Konzerngesellschaften kompensiert werden.
. Rund 1000 Terminals wollte JAXX im Einzelhandel aufstellen, um Einkaufen und Lottospielen zusammenzubringen. Stattdessen stehen die teuren Geräte in einem Lager und drohen zu veralten. Diese und andere teuren Folgen des Glückspielstaatsvertrages will JAXX nicht auf sich beruhen lassen. Derzeit prüft das Unternehmen Schadenersatzansprüche in Höhe von rund 26 Millionen Euro, hiervon entfallen allein sechs Millionen Euro auf das Land Schleswig-Holstein und dessen Lottogesellschaft. Die hatte über Jahre mit JAXX kooperiert, nach der Bestätigung des staatlichen Glückspielmonopols durch das Bundesverfassungsgericht jedoch die Zusammenarbeit beendet - zu ihrem eigenen Schaden und zulasten des Landesetats, wie Dahms betont: „Das Lottogeschäft, das wir über das Internet generiert haben, ist weg - die Rechnung, das die ehemalige Online-Kunden im Lottokiosk spielen, ist nicht aufgegangen.“
Je internationaler das Geschäft der JAXX AG wird, desto weniger zwingend ist für das Unternehmen die Beziehung zum Norden. In Kiel - vor dem Umzug nach Altenholz Sitz der Gesellschaft - beschäftigte das Unternehmen einmal 40 Mitarbeiter, heute sind es in Altenholz gerade noch zwölf. Von den insgesamt rund 180 Mitarbeitern arbeiten bereits die Hälfte im Ausland - auf Malta, in England und Österreich. Personell bedeutendster Standort ist Hamburg mit 40 Mitarbeitern. Doch Dahms betont: „Wir geben den deutschen Markt nicht auf, aber wir warten, bis sich auch hier die Erkenntnis durchsetzt hat, das Lotto nicht süchtig macht.“ na, wir werden sehen, sagte der Blinde
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