Roth & Rau-Finanzchef Bovenschen: "Erwarten kräftiges Wachstum"
[Roth & Rau erwarten kräftiges Wachstum in den kommenden Jahren] Roth & Rau erwarten kräftiges Wachstum in den kommenden Jahren Carsten Bovenschen, Finanzchef bei dem Solarzulieferer Roth & Rau, zeigt sich nach dem Krisenjahr 2009 optimistisch und erwartet einen kräftigen Wachstumsschub seines Unternehmens.
von Joachim Spiering, Euro am Sonntag
Euro am Sonntag: Wo sehen Sie im Jahr 2010 stärkeres Marktwachstum, bei "reinen" Solarwerten oder eher bei Zulieferern? Carsten Bovenschen: Ich denke, dass 2010 sicher ein Richtung weisendes Jahr besonders für die Zulieferer sein wird. Dies ist zum Einen bedingt durch neue, verbesserte Prozesse, also Weiterentwicklungen und Fortschritte bei den Wirkungsgraden mit dem Ziel des Erreichen der Grid Parity. Zum Anderen wird unser Erfolg stark durch die neue, subventionierte Märkte wie beispielsweise China, Indien und die USA getrieben. Es wird auch im Nahen und Mittleren Osten neue Märkte für Zulieferer geben, da auch in diesen Gebieten zukünftig insbesondere für den eigenen Markt produziert werden wird. Man hat gerade in den Ölstaaten begriffen dass es keinen Sinn mehr mach, Öl für unter 10$ je Barrel zu verstromen, wenn am Spotmarkt ein vielfaches dafür erzielt werden kann. Die Sonne schickt keine Rechnung.
Welche Risikofaktoren haben Ihrer Meinung nach das Zeug dazu, den für 2010 erwarteten Aufschwung der Solarbranche signifikant zu bremsen beziehungsweise zu gefährden? Der Hauptrisikofaktor ist nach wie vor die globale Wirtschaftskrise, in der wir alle stecken. Und damit meine ich nicht nur die Solarindustrie, sondern die ganze Welt. Allerdings hemmt gerade in Bezug auf regenerative Projekte das restriktive Kreditvergabeverhalten der Banken viele Vorhaben weltweit. Es zeigt sich jetzt schon, dass vor allem bei großen Projekten selbst finanziell potente Kunden Ihre Zulieferer gern mit Eigenkapital in den Projekten beteiligt sähen; ein ganz klarer Trend zu usancen aus dem Großanlagenbau. Dies ist natürlich ein Trend, den wir sehr misstrauisch verfolgen, da Minderheitsbeteiligungen bei (Groß-)Kunden für Unternehmen unserer Größenordnung nicht in beliebiger Höhe zu tätigen sind ohne das eigene Wachstum zu gefährden. Auf der anderen Seite sehen wir uns als einer der weltweit führenden Anbieter für Produktionstechnologie und -equipment natürlich in der ersten Reihe, wenn es gilt große Projekte für Erweiterungen oder Neuinstallationen zu bewältigen. Ein weiterer Risikofaktor für die Solarindustrie ist die zu erwartende Konsolidierung des Marktes. Kleinere Zulieferer haben jetzt schon nicht die finanzielle Kraft, geschweige denn das Vertriebs- und Servicenetzwerk um große Projekte erfolgreich abzuwickeln. Hier hat gerade Roth & Rau den Trend frühzeitig erkannt und in den vergangenen 18 Monaten sehr viel getan: Unsere Gruppe besteht weltweit aus 22 Unternehmen, die neben dem Equipment flächendeckenden Service bieten. Dennoch werden auch die großen Unternehmen nur dann überleben, wenn sie selbst es schaffen zu einer gewissen kritischen Masse weiter zu wachsen. Denn dieser Trend gilt ganz besonders auch für unsere Kunden Die Q-Cells und Solarworlds dieser Welt werden sich in 2010 einer sehr schnell erstarkenden Konkurrenz aus Fernost gegenüber sehen. Der Markt unserer Kunden wird sich rasant konsolidieren. Am Ende des Tages werden auch bei unseren Kunden sehr große Konglomerate dominant und in der Mehrzahl sein. Um deren Ansprüchen gerecht zu werden und um halbwegs auf Augenhöhe zu verhandeln, müssen Zulieferer wie Roth & Rau die Technologie führen aber auch weiter wachsen. Das bedeutet auch, dass wir den Markt aktiv konsolidieren müssen. Aus der Kombination der oben beschriebenen Faktoren, also Finanzierung in Verbindung mit der Notwendigkeit den Markt zu konsolidieren, ergeben sich für die Zulieferer in diesem Jahr beliebig viele Risiken, aber auch Chancen für diejenigen die vorbereitet sind. 2010 wird ein Richtung weisendes Jahr für die gesamte Branche: "Honeymoon is Over!"
Welche Gewinnmargen erwarten Sie für Ihr Unternehmen im Jahr 2010? Unsere operativen Gewinnmargen sehen wir trotz des Umsatzrückgangs in 2009 weiterhin "in Richtung Norden". Ich habe bereits in der Vergangenheit kommuniziert, dass wir stabil über zehn Prozent in Richtung elf Prozent Marge wachsen wollen, allerdings immer mit der Einschränkung, dass dies für einen "eingeschwungenen Zustand" und für einzelne, operative Projekt gilt. Wir werden dies durch neue, effizientere Verfahren bei den etablierten Technologien und durch höhere Anteile beim von Service- und Ersatzteilgeschäft erreichen. Hinzu kommt, dass derzeit weltweit das einzige Unternehmen sind, das CdTe-Produktionsanlagen schlüsselfertig in industriellem Maßstab bieten kann. Wir werden natürlich einen beträchtlichen weiterhin stark in Forschung und Entwicklung investieren müssen, um unsere vorherrschende Stellung bei den Equipmentzulieferern weiter zu festigen, darüber hinaus sehen wir, wie schon oben beschrieben, die Notwendigkeit weiter zu wachsen und Wachstum ist teuer. Sie sehen, die Frage nach unseren Margen für 2010 ist nicht so einfach zu beantworten wie die unserer Kunden, den Herstellern von Solarzellen und Modulen. Diese stellen nämlich ein Massenprodukt her. Massenprodukte habe an sich schon keine hohen Margen, das gilt natürlich auch für die PV-Industrie. Mit Massenproduktion werden Sie in Zukunft keine Gewinne mehr erzielen, die Sie in die Lage versetzen massiv in die Forschung und Entwicklung neuer Konzepte und effizienterer Solarzellen zu investieren; diese rolle wird den Herstellern von Produktionsequipment und deren Kooperationen mit Universitäten weltweit zufallen.
Von politischer Seite, die Rede ist von Klimagipfel oder EEG-Pläne der Bundesregierung, erfährt die Solarbranche derzeit viel Gegenwind. Welche Rolle werden deutsche Solarunternehmen Ihrer Meinung nach in 2010 und den nachfolgenden Jahren spielen. Die Solarbranche stand im Fokus vieler Interessen. Letztendlich müssen wir uns aber einige Dinge immer wieder bewusst machen: Alle herkömmlichen Verfahren zur Stromerzeugung sind limitiert. Nur die Sonne (und die ist letztendlich für Windkraft genauso verantwortlich wie für PV oder Solarthermie) haben wir nach menschlichen Maßstäben unbegrenzt zur Verfügung. Die Tatsache, dass die Entwicklung solcher Technologien hin zu einem flächendeckenden, wirtschaftlichen Netz, Geld kostet sollte niemanden wirklich verwundern. Natürlich ist die Industrie gefordert, die technologischen Lösungen weiter zu entwickeln, so dass sie wettbewerbsfähig werden, aber jetzt so zu tun, als hätte das alles keinen Sinn, so wie das viele Lobbyisten anderer Energieträger tun, das ist doch absurd.
[Interview: Roth & Rau-Finanzchef Bovenschen: ]
Der Gegenwind, den wir derzeit immer noch verzeichnen, ist ein Beispiel dafür wie unaufgeklärt die breite Masse immer noch ist. Niemand bezweifelt heute mehr die Notwendigkeit in die Bildung unserer Kinder zu investieren, damit diese in der Zukunft eine Chance haben. Das gilt auch für junge Menschen, die aus sozial schwachen Familien kommen und über BAFöG oder Stipendien öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen. Wenn wir jedoch Geld für deren zukünftige Energieversorgung ausgeben, oder in die Entwicklung dieser Technologien investieren, dann ist dies falsch beziehungsweise nicht wirtschaftlich? Es geht nicht darum das kurzfristig billigste zu tun, sondern darum das Richtige zu veranlassen. Letztendlich steht die deutsche Solarindustrie an einem Scheideweg. Wir müssen uns der Aufgabe stellen, auch ohne Subventionen wettbewerbsfähig zu sein. Es hilft natürlich, das Märket wie China nun auch Endkundenmärkte werden. Hinzu werden die USA als ganz wichtiger Markt treten. Von der Amtsübernahme durch Obama hatte man sich zugegebenermaßen viel schneller stärkere Impulse für die regenerativen Energien erwartet, allerdings hat man auch verkannt, das das Hauptthema der US-Regierung derzeit die Bewahrung von Arbeitsplätzen (siehe Automobilindustrie) ist.
Wir als deutsche Solarunternehmen haben jedoch die einmalige Chance weltweit weiterhin eine führende, technologische Rolle zu spielen. Wir müssen uns jedoch von dem Anspruch verabschieden, dass deutsche Hersteller von Massenprodukten den Weltmarkt bedienen, das werden wir denjenigen überlassen müssen, die günstigere Kostenstrukturen haben. Auch hier können wir von anderen Branchen nur lernen. Das heißt natürlich nicht, dass deutsche/europäische, nur im Inland produzierende Unternehmen, keine Chance im Wettbewerb haben. Hinzu kommt, dass die derzeitige weltweite Produktionskapazität fast ausschließlich die Endkunden in Europa, insbesondere in Deutschland bedient hat. Mit den neuen Endkundenmärkten werden stimuliert durch die verschiedenen Förderungen auch verstärkt Asiaten und die USA als Endkunden eintreten. Fazit: Ich sehe die Deutsche Solarindustrie nach wie vor im Fahrersitz was die Weiterentwicklung von und Kommerzialisierung von Technologien angeht. Eine ähnliche Entwicklung haben wir übrigens bereits im vergangenen Jahrhundert mit der Bergbauindustrie durchlebt. Die deutsche Bergbautechnologie ist weltweit führend, auch lange nachdem der Bergbau in Deutschland selber eine nennenswerte Rolle spielte.
Die Förderung des Solarstroms ist wichtig; sie schafft Arbeitsplätze und sichert die deutsche Stellung im technologischen Wettbewerb weltweit. Genau so wichtig ist aber die Erkenntnis, dass sie nur eine Stimulanz sein darf. Der "Organismus Solarindustrie" muss mit Hilfe dieser Impfung die Versorgungssicherheit erzielen - genauso wie die Wettbewerbsfähigkeit des Endproduktes Strom. Ob dies jedoch ein Jahr früher oder später erreicht wird ist klimapolitisch sehr, sehr viel wichtiger als wirtschaftspolitisch . Denn: Solange es Terroristen immer wieder gelingt, Flugzeuge zu entführen und vielleicht sogar in atomare Endlager oder Kernkraftwerke zu steuern, zahle ich lieber ein paar Euro für regenerative Energien über meine Stromrechnung mehr um von solchen latenten Gefahren los zu kommen. Wenn es gelingt, die breite Masse ins Boot zu holen, dann wird die Bedeutung der regenerativen Energien und natürlich auch des Solarstroms weiter zunehmen. Es ist als ein Aspekt der Nachhaltigkeitsdiskussion mehr eine Frage der Erziehung oder der Aufklärung, denn eine Rechenaufgabe.
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