zumindest kurzfristig.
FTD: Die große Ölblase
Das schwarze Gold steuert zielsicher auf die Marke von 100 $ zu. Doch gerechtfertigt ist das nicht. Das ist eher eine sich selbsterfüllende Prophezeihung, angetrieben von Spekulation und einem Ort im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten.
Die Schlagzeilen beginnen zu langweilen: Fast täglich durchbricht der Ölpreis neue Rekorde. Am Donnerstag kletterte er über die Marke von 96 $. Die 100 $ sind in Sichtweite und - fragt man die Analysten - werden bald Geschichte sein.
Diese beeindruckende Rally ist so nicht gerechtfertigt. Es sind Finanzinvestoren Investmentbanken oder Hedge-Fonds, die aus dem traditionell stark schwankenden Ölmarkt eine Einbahnstraße gemacht haben. Milliarden Dollar werden bewegt. Und da alle von steigenden Preisen schwadronieren und alle im Zuge der Kreditkrise steigende Preise sehen wollen, steigen diese auch: Eine sich selbsterfüllende Prophezeihung nennt der Ökonom das. Nicht mehr und nicht weniger.
Gefangener des Mittleren Westens
Ein Beispiel. Die US-Lagerdaten, die wöchentlich veröffentlicht werden. Am Mittwoch kam die Freudensnachricht für alle Ölbullen: Die Rohölbestände fielen um satte 3,9 Millionen Barrel (ein Barrel entspricht 159 Litern). Sofort intonierte die Investmentgemeinde: "Der Markt ist knapp, das Öl geht aus." Das ist blanker Unsinn. Setzt man die Bestände zur aktuellen Nachfrage in Beziehung - die Experten nennen diese Kennzahl "forward demand cover" -, liegen wir über den Jahren 2004 und 2003. Damals allerdings lagen die Preise bei unter 30 $.
Zweitens: Von den 3,9 Millionen Barrel gehen 3,1 Millionen auf das Konto von Cushing. Dieser Ort im Mittleren Westen der USA spielt auf dem internationalen Ölmarkt eine große Rolle. Denn dort ist der Lieferort für das Leichtöl West Texas Intermediate (WTI), das an der New Yorker Terminbörse Nymex gehandelt wird und als Referenzgröße für physische Transaktionen verwendet wird. Cushing wirkt seit Jahren verzerrend. Denn dort gibt es Engpässe bei Pipeline- und Lagerkapazitäten. Vor Monaten kam das Öl nicht aus Cushing raus, dann notierte WTI mit einem unnatürlichen Abschlag zu anderen Ölsorten. Jetzt ist der umgekehrte Fall aufgetreten und das Öl fließt überraschend ab - und alle rennen Amok. Das wäre nicht tragisch, wenn nicht alle Terminmärkte miteinander über Arbitrage verbunden wären. Mit anderen Worten: Der Ölmarkt ist im Mittleren Westen gefangen.
Dass der Ölpreis in den vergangenen Jahren angestiegen ist, ist nachvollziehbar. Die jetzige Rally hat aber nichts mit Fundamentaldaten, sondern mit Spekulation und den Lieferdetails eines einzigen Ölkontrakts zu tun. Es ist höchste Zeit für eine Korrektur.
Autor/Autoren: Tobias Bayer (Frankfurt)
(c) FTD 01.11.2007 - 15:53 Uhr
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