Berlin (Reuters) - Ein anhaltend starker Euro könnte nach Ansicht des Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz den deutschen Exporteuren zu schaffen machen.
"Einzelne Branchen mögen schon belastet sein", sagte Franz am Mittwoch im Reuters-Interview. "Wenn wir auf Dauer ein starke Euro-Aufwertung bekommen würden, was ich nicht weiß, dann würde das natürlich schon unsere Exporte bremsen." Die Ausfuhren seien immer noch eine "ganz wichtige Stütze" der Konjunktur in Deutschland.
Zur Erholung der Wirtschaft zeigte sich der ZEW-Chef weniger optimistisch als andere Volkswirte: "Für dieses Jahr gehe ich davon aus, dass - wenn wir etwas Glück haben - wir dann um 1,5 Prozent Zuwachs beim realen Bruttoinlandsprodukt haben." Dies hänge aber von der Entwicklung der Weltwirtschaft, der Ölpreise und Wechselkurse ab. Einige Experten erwarten sogar, dass Deutschlands Wirtschaft 2006 bis zu zwei Prozent oder mehr zulegen könnte.
Franz appellierte an die große Koalition, ihre Reformen voranzutreiben. "Jetzt ist langsam die Zeit gekommen, wo die Regierung auch handeln muss, und das verunsichert ein bisschen die Investoren."
"JEDE EURO-AUFWERTUNG BEREITET GEWISSE PROBLEME"
Der Euro-Kurs hat in den vergangenen vier Wochen von rund 1,22 auf knapp 1,29 Dollar zugelegt, was deutsche Exporte etwa in die USA verteuert. "Da gibt es kein Niveau, wo man sagen würde, ab dann wird die Exportindustrie belastet und darunter nicht mehr. Jede Aufwertung des Euro hat natürlich gewisse Probleme für die Exportindustrie", sagte Franz. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass der überwiegende Teil der Ausfuhren in den Euro-Raum gehe und deshalb von der Aufwertung der Gemeinschaftswährung nicht betroffen sei.
Konjunkturell sieht das Mitglied im Sachverständigenrat die Deutschland insgesamt auf einem guten Weg, befürchtet aber wie andere Fachleute negative Folgen der für Anfang 2007 geplanten höheren Mehrwertsteuer. "Insgesamt gesehen bedeutet natürlich eine Mehrwertsteuererhöhung einen Realeinkommensverlust der Konsumenten, und von daher ist eine gewisse Bremswirkung zu erwarten, was die Konjunktur angeht", sagte Franz. Er äußerte sich zudem skeptisch zur Steuererhöhung: "Was ich mir vorstellen könnte, wäre, wenn wirklich die großen Reformvorhaben - also Unternehmensteuerreform oder Gesundheitsreform - gegenfinanziert werden müssen, dass dazu teilweise eine Mehrwertsteuererhöhung in den nächsten Jahren erfolgt, aber nicht zum Stopfen laufender Haushaltslöcher."
Der Chef des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) kritisierte, dass der Weg der nötigen Reformen noch unklar sei. "Es gibt noch ein gewisse Unsicherheit, was die Bundesregierung nun mit den großen Reformvorhaben vorhat." Bisher sei in erster Linie die Rede von Steuererhöhungen gewesen - bei der Mehrwertsteuer und der Reichensteuer. Problematisch sei zudem die Debatte um die Einführung eines Mindestlohn.
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