Dürre und Ratlosigkeit treiben den Weizenpreis © Bild: 2010 Bloomberg Der ausbleibende Regen ist derzeit Hauptthema an den Warenterminmärkten für Getreide. Die heftigen Preisschwankungen erklärt das Wetter alleine allerdings nicht. Ein angesehener Experte sieht bereits eine Preisblase wie einst am Neuen Markt. von Frank Bremser, Frankfurt Die Inflation in Europa zieht an, vor allem getrieben von hohen Rohstoffpreisen. Neben dem im Inflationskorb schwer gewichteten Benzin sind es vor allem die Nahrungsmittel, die für den Preisschub mit verantwortlich sind. Die Preise für die Grundstoffe dafür, die Agrarrohstoffe, präsentieren sich dabei derzeit schwankungsanfällig - wenn auch mit einer grundsätzlichen Tendenz nach oben. So ist der S&P Goldman Sachs Agricultural Commodity Index ist zwischen Juni 2010 und Februar 2011 um mehr als 90 Prozent gestiegen. Anfang Februar markierte der Weizenpreis ein Drei-Jahreshoch, um bis Mitte März wieder um ein Viertel abzusacken. Trockenheit in Baden-Württemberg Während aber in den westlichen Industriestaaten die Preiserhöhungen dem Verbraucher nur einen kleinen Teil des Einkommens abzwacken, können sie in Schwellenländern verheerende Auswirkungen haben. Neben hohen Weltmarktpreisen spielen hier auch noch anderer Faktoren eine Rolle: Nahrung wird knapp aufgrund des Klimawandels, aufgrund des steigenden Bedarfs an Biosprit, der gerne aus Mais gewonnen wird und wegen der Zunahme des weltweiten Fleischkonsums. Denn für die Produktion von einem Kilogramm Fleisch wird ein Vielfaches davon an Futtergetreide benötigt. All dies führt zu steigenden Preisen. Schon 2008 warnte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn vor Kriegen um Lebensmittel. Und auch aktuell zeigt die Preisentwicklung nach oben. Zwar haben im Zuge des jüngsten Abverkaufs an den Rohstoffmärkten auch die Notierungen der wichtigsten Agrarrohstoffe Weizen, Mais und Soja etwas gelitten. So sank etwa der Weizenterminkontrakt am Chicago Board of Trade (CBOT) auf ein Sechswochentief von 7,35 Dollar je Scheffel (27,2 kg). Angefeuert hatte den kurzzeitigen Preisverfall die Angebotsschätzung des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA). Die Behörde war ausnehmend optimistisch, ein Optimismus, den die meisten Marktbeobachter jedoch nicht teilen. So hatte das USDA etwa einen Anstieg der EU-Weizenernte in diesem Jahr um knapp 3 Millionen auf 138,6 MillionenTonnen prognostiziert. Das französische Agraranalysehaus Strategie Grains hat im Gegensatz dazu seine Ernteprognose aufgrund der Trockenheit in den westlichen EU-Ländern um 3,6 Millionen auf 131,5 Millionen Tonnen nach unten revidiert. Für Mais erwartet die Behörde sogar eine Rekordernte, was angesichts der aktuellen Trockenheit ebenfalls von Marktbeobachtern bezweifelt wird. Die Analysten der Commerzbank kommentieren die Schätzungen des USDA mit den Worten: "Die aktuelle Prognose des USDA dürfte daher den günstigsten aller Fälle darstellen, so dass in den kommenden Monaten mit Abwärtsrevisionen zu rechnen sein dürfte." Zudem gehen die Analysten davon aus, dass die Ernte der Saison 2010/11 niedriger ausfallen wird als im Vorjahr und von der globalen Nachfrage um gut 15 Millionen Tonnen übertroffen werden wird. Spannend ist die derzeitige Phase an den Märkten auch deshalb, weil sich aufgrund des Jahreszeitenzyklus jetzt entscheidet, wie viel Getreide auf welchen Anbauflächen angebaut wird. Zudem herrscht große Unsicherheit über das Wetter. Angesichts des fehlenden Regens in der nördlichen Hemisphäre drohen Missernten, die die Lage auf dem Markt verschärfen könnten. Betroffen sind vor allem die USA, Frankreich, Kanada, Australien und China. Ähnliches gilt für Deutschland. Clemens Große Frie vom Agrarhändler Agravis sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Unsere Experten sagen schon jetzt: Eine Ernte wie im letzten Jahr, die gerade mal unterdurchschnittlich war, wird wohl nicht mehr erreicht." Unklar ist zudem wie die Ernte in den wichtigen Exportländern Ukraine und Russland ausfällt. Auch deutet sich derzeit an, dass die Getreidequalität aus den USA sehr schlecht ist. Grundsätzlich wachsen die Bendenken an den Rohstoffmärkten. Zwar empfehlen die Experten etwa von Barclays Capital und Goldman Sachs, den jüngsten Preiseinbruch bei allen Rohstoffen zum Einstieg zu nutzen. Andere Analysten warnen jedoch inzwischen, dass die Bewertungen an den Märkten sich von der realen Angebots- und Nachfragesituation abgekoppelt haben. Denn aufgrund der Unsicherheit bei Aktien und Anleihen haben viele Investoren die vermeintlich sicheren Rohstoffmärkte entdeckt - getreu dem Motto: Auto gefahren wird immer und gegessen wird auch immer. Dementsprechend verzeichneten zuletzt passive Investmentprodukte auf Agrarrohstoffe hohe Zuflüsse, zeitweise mehr als entsprechende Produkte für Gold oder Silber. Nahrungsmittelkonzerne fordern, die Investmenttätigkeit an den Agrarmärkten einzuschränken. Zwar gibt es an vielen Rohstoffbörsen Positionslimits, diese können dem grundsätzlichen Anstieg der Preise aber kaum Einhalt gebieten. "Es gibt riesige Märkte, in denen sich Investoren engagieren können. Von Lebensmittelmärkten sollten sich spekulativ veranlagte Investoren aus rein gesellschaftlicher Verantwortung fernhalten. Damit sollte man nicht zocken. Das Thema ist zu ernst". sagte der Europa-Kaffeechef von Kraft Foods Hubert Weber kürzlich dem "Weser-Kurier". Michael Aronstein von Marketfield Asset Management, der den Preiseinbruch 2008 korrekt vorhersagte, sieht die Märkte am Anfang einer Baisse, also eines Zeitraums mit fallenden Kursen, die fünf bis zehn Jahren dauern könnte. Das Ausmaß der Investments derzeit bedeute, dass Nachfrage und Angebot fast bedeutungslos geworden seien. Die Situation erinnere an die letzten Tage der Technologieblase, so Aronstein kürzlich in einem Interview. 24hs
|