Von den jetzigen 180? ausgehend ist die Lage doch so:
Schlecht sind 150 Euro für jene, die immer zu Höchstpreisen verkaufen wollen. Das Dumme an diesem Ziel ist aber, dass man die Höchstpreise nicht im Vornhinein kennt. Denn wer jetzt verkauft und dann geht?s auf 150 ? runter, kann sich zwar über gerettete 30 ? freuen. Geht?s aber weiter rauf, z.B. auf 210?, der ärgert sich dann über die entgangenen 30 ?. Hinzu kommt der Aspekt, dass niemand weiß, wie lange der Kurs auf welchem Preisniveau verharrt. Hält man sich für 2 Minuten, 2 Stunden, 2 Tage, 2 Monate oder 2 Jahre bei 150 ? auf. Und wo geht die Reise danach hin. Gen Norden, gen Süden?
Und wer heute 150? ausruft, was ruft man dann, wenn der Kurs bei 210 stünde? 180?, um bei 30? Differenz zu bleiben, oder weiterhin 150?? Womit sind die 150? gerechtfertigt? Und womit neuerdings 180?, die vormals zu hoch waren? Und ruft man immer noch 150?, wenn der Kurs bei 120 ? stünde?
Warum also auf so solche Unsicherheiten hin sein Verkaufstiming ausrichten?
Da fällt mir eine Analogie zum Fußball ein: Jedem 18-jährigen Debütanten ist es egal, ob er für 2 Minuten oder 2 Halbzeiten auf den Platz kommt, hauptsache dabei sein, statt am Spielfeldrand zu stehen. Ihm ist es da auch egal, ob seine Mannschaft nach seiner Einwechslung in Führung geht oder in Rückstand gerät. Hauptsache es bleibt nicht sein einziges Spiel, sondern er wird für viele weitere Jahre weiterspielen. Keiner von denen sagt ?Ich spiele nur mit, wenn ich direkt ein Tor schieße?. Sondern die freuen sich dabei zu sein, und halten auch mal ne Niederlage aus. Ne Saison hat schließlich nicht nur 1 Spieltag....
An der Börse braucht es nicht den Hochmut, zu Höchstkursen verkaufen zu wollen, sondern die Demut, Kurse nicht voraussehen zu können und daher Schwankungen aushalten zu wollen.
Der Gewinn an der Börse entsteht auch nicht durch den Einkauf. Das ist allenfalls eine hinreichende Bedingung. Die notwendige Bedingung besteht in der Haltedauer. Psychologisch gesehen, klar, ist 150? ein Kaufkurs, da ja 30? billiger als jetzt. Aber dann handelt man nach einem Trugschluss. Es braucht die fundamentale Betrachtung. Denn, nur weil man morgen etwas billiger bekommen kann, als heute, dann müsste man ja immer nachkaufen. Doch bei Aktien, die nur fallen, kommt jede ?Verbilligung? einem sehr teuer zu stehen. Dann doch lieber Aktien kaufen und halten, die (durchaus gestolpert) gen Norden laufen.
Schaue ich mir die Fundamentaldaten von Wirecard an, muss die Börse von einer Achterbahn zu einem Free Fall Tower werden, damit man wieder in die Nähe einer Unterbewertung kommt. Aber welches Daxunternehmen ist schon ein Nischenwert, den man immer mal wieder unterbewertet bekommen kann? Wartet Ihr wirklich darauf, dass Wirecard unterbewertet zu haben ist? Also ich will keine Wirecard-Aktien mehr für 40? bekommen, wo doch Blackrock Wirecard für 90 ? kaufte und wo z.B. Berkshire Hathaway neulich knapp 360 Mio. $ ausgab für 3-4% an Paytm. Einem indischen Bezahlapp-/Marktplatz-/Vermögensberatung-Startup mit 120 Mio. $ Umsatz und einer 10 Mrd. $-Marktkapitalisierung. Und dann erst Adyen.... also eine krasse und dringendst zu korrigierende Überbewertung kann ich bei Wirecard nun wirklich nicht erkennen.
Wer hier ein Value Investor sein will, der kann nicht darauf warten, dass diese Aktie unterbewertet wird. Sondern er soll investieren, weil er entweder meint, der jetzige Kurs sei noch nicht das Ende der Fahnenstange und/oder weil er die Aktie für immer halten will. Gemessen daran ist es mir egal, ob es 190?, 180?, 172? oder 150? sind.
Wer hier als Trader rein will, kann ja gerne verkaufen, dann versuchen günstiger reinzukommen und das ganze noch einmal. Kann klappen, muss es aber nicht. Und überhaupt: So etwas macht ja nur Sinn, dass zeigen die Rechnungen der letzten Seiten, wenn man ausreichend Verluste geltend machen bzw. gegenrechnen kann. Schön, dass Trading erst so richtig sinnvoll wird, wenn es verlustreich ist ;-)
PS an Gabbaf: Diversifizier' und stell noch 'nen Pott Sahne auf den Tisch.
|