Bevor ich mich ins WE verabschiede, mal als Info, warum ich keine Aktien von Norcom (https://www.ariva.de/norcom_information_technology-aktie) gekauft habe. Daraus könnt Ihr im Vergleich Rückschlüsse auf Wirecard nehmen.
Punkt 1) Das Management. Bei beiden sind eher Unternehmer, denn Manager in der Verantwortung und quasi seit immer dabei. Auch halten beide VV viele Anteile, bei Norcom sitzt die ganze Familie mit drin und prozentual auch deutlich mehr als Braun bei Wirecard, mit circa 30% und mehr. Die Beteiligungsquote an sich ist für mich nicht Entscheidende, da (abgesehen von Wiedeking & Porsche) ein neu hinzukommender VV nie so viele Anteile haben wird, wie der Gründer oder Altaktionäre. Auch finde ich eine KGaA-Version per se nicht schlimm, Fresenius, Aurelius und andere haben die auch. So weit, so gut!
Aber bei Norcom war bislang immer nur die Nordbakk-Familie wirklich am Ruder und Norcom hat in seiner Historie schon einige schlechte Jahre und Performances abgeliefert. Mir kommt es sehr stark wie eine "Mir-kann-keiner-was", "Es-wird-gemacht-wie-ich-es-sage-und-nur-so-wie-wir-es-schon-immer-machten"-Haltung vor und mit den anderen Mitteilhaber unterhalte ich mich nicht. Dazu zeugen auch die dürftigen Finanzberichte und Webseiten. Das alles macht für ein IT-Unternehmen wenig her. Da war WRI selbst früher deutlich informativer und hübscher, ebenso so eine "Klitsche" wie IVU. Und mit der neuen KGaA-Form hat man nochmals mehr Befugnisse und Rechte für die Nordbakk-Familie. Auch hat man keine konsistente Linie, was man veröffentlicht. Das ist dort alles sehr unausgewogen und macht einfach keinen durchweg vertrauenswürdigen Eindruck.
2) Branche und Produkt: Norcom macht Big Data, ebenfalls ein Megatrend. Aber sie investieren nicht in den Vertrieb, sondern machen noch ein paar Big-Data-ferne Beratungsprojekte, die zwar Cash und anscheinend Gewinn einbringen, aber eben auch nötige Ressourcen bündeln und vor allem den Fokus verhindern. Wirecard entledigte sich immer mehr alter Zöpfe (Call-Center spielt keine Rolle mehr), investiert laufend in den Vertrieb und F&E, erweitert dadurch das Produktportfolio und verbessert bestehende Leistungen. Sie bilden zudem massig In-house-Knowhow auf. Ihre Produkte können in verschiedenen Branchen, Ländern und Unternehmen eingesetzt werden, sie bilden verschiedene Use-Cases ab und wurde immer mehr zur Plattform, die mehr kann als Issuing und Acquiring. Norcom hingegen kommt nicht so recht weg vom Fleck, obwohl ihr Big Data-Lösung Dasense für Automotive sowieso, aber auch andere Branchen wichtig ist. Sie investieren aber nicht in den Vertrieb (und das müsste man, denn B2B und überhaupt Automotive dauert lange...) und in die Adaption auf komplementäre Branchen (z.B. Hausautomatisierung). Sie setzen auf ein nicht näher definitertes Partnernetzwerk, dass DaSense vertreiben soll und brauchen Monate, bis überhaupt mal eine Kooperationsvereinbarung zustande kommt. Auch gibt es keine näheren Infos darüber, wie genau man Geld mit den Big Data-Produkten verdient. Ich kann es mir nur so erklären, dass sie noch keine Lizenzerlöse haben, sondern froh sein können, überhaupt mal irgendwo reinzukommen und dann allenfalls einige Manntage verrechnen können. So aber wird das ja nie etwas mit der Skalierung. So kopiert man nur die Strategie, mit denen man in all den Jahrzehnten zuvor wechselhaften Erfolg hatte: 1 Branche, 1 Produkt, kein eigener Vertrieb und immer die Familie mit dem letzten Wort.
Und wegen alledem habe ich von einem Investment in Norcom abgesehen. Das Management ist mir nicht geheuer, ihre Strategie halte ich für falsch (bestätigt durch ihre Historie und Gegenwart) und ich habe kein Zahlenwerk, mit denen ich eine Skalierung oder zumindest eine zukünftige Skalierung erörtern könnte. Und den Ansatz zu diversifizieren und Geld mit Beratung für die Arbeitsagentur, Geld mit div. IT-Beratung und Geld mit Big Data-Produkten zu verdienen ist einfach nur falsch. Beim Ritt auf 3 Hochzeiten verdirbt man sich seine Bräute auf kurz oder lang und wenn Diversifizierung, dann bitte so, wie bei Wirecard: D.h. mit der Kernkompetenz, nicht mit komplett unterschiedlichen Leistungen.
Aber vielleicht sieht Norcom's KGV ja gut aus, soweit kam ich erst gar nicht ;-)
P.S.: Für alle Norcom-Investierten: Ja, das war jetzt eine verkürzte Darstellung. Und ja, es gibt sicherlich auch Gutes. Aber für mich nicht gut genug. ;-)
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