Ein Abgeordneter will sich abschaffen Es gibt Probleme in der Politik,da klaffen Welten zwischen Einsicht und Handeln.Die Größe des Bundes- tages ist so eines. Kaum jemand dürfte ernsthaft bestreiten, dass das Parlament mit 709 Abgeordneten deutlich zu groß geworden ist. Nach der nächsten Wahl drohen es sogar 800 zu werden, bei einer Regel- größe von 598. Doch alle Anläufe, das Wahlrecht zu ändern, blieben bisher stecken; zuletzt scheiterte ein Versuch von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Zu viele seiner Kollegen stellen sich wohl die typische Politikerfrage:,,Und was wird aus mir?" Der südbadische FDP- Abgeordnete Christoph Hoffmann (61) weiß ziemlich genau, was bei einer Reform aus ihm würde: er verlöre aller Voraussicht nach sein Mandat. Auf Platz zehn der liberalen Landesliste war er 2017 nach Berlin gekommen. Bei einem verkleinerten Bundestag, hat er ausgerechnet, würde das nicht mehr reichen. Trotzdem ficht Hoffmann,promovierter Forstwirt, lange Bürgermeister und keineswegs amtsmüde, vehement für eine Reduzierung. Für Bürger und Steuerzahler, sagt er, sei es ,,nicht hinnehmbar, wenn wir noch mehr werden". Da gehe es inzwischen um die ,,Glaubwürdigkeit der Demokkratie". Die Parlamentarier seien ,,in der Pflicht das, hinzukriegen"-persönliche Betroffenheit hin oder her. Ganz ähnlich hatten es unlängst hundert Staatsrechtler in einem Appell an den Bundestag formuliert. Das Vertrauen der Menschen dürfe nicht durch den Eindruck erschüttert werden, ,,viele Abgeordnete würden die dringend nötigen Änderungen verzögern, weil das eigene Hemd ihnen wichtiger sei als der Gemeinwohlrock". Das Parlament müsse ,,alsbald" einen neuen Anlauf nehmen. Demnächst ist es so weit. In diesen Tagen soll ein gemeinsamer Gesetzentwurf von FDP, Linken und Grünen eingebracht werden. Nach ihrem Konzept soll es statt 299 nur noch 250 Wahlkreise geben, bei einer auf 630 erhöhten Normzahl von Abgeordneten. Diese Kombination, heißt es, reduziere die Aufblähung durch Überhang- und Ausgleichsmandate. Die Union müsse ,,endlich ihre Blockade aufgeben" , fordert Hoffmanns FDP . Er selbst wird natürlich zustimmen- wohl wissend, dass ihn das seinen Sitz kosten dürfte. Quelle: Stuttgarter Zeitung Nr 244 vom 21.10.2019.
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